"Lust auf Schule" und "Frust an der Schule" - dieser Titel enthält zwei widersprüchliche Botschaften. Er provoziert und animiert zugleich (vgl. dazu auch ausführlicher Nieskens & Paulus, 2011). Er animiert, denn der Lehrerberuf ist eigentlich ein schöner und erfüllender Beruf und hat grundsätzlich wesentliche gesundheitsförderliche Merkmale (nach Richter 2000, S. 64; vgl. auch Scheuch, Seibt et al. 2008).
Aus arbeitspsychologischer Sicht sind folgende Merkmale des Lehrerberufs gesundheitsfördernd:
- Ganzheitlichkeit und Sinnerfüllung (Bedeutung der Tätigkeit, "gebraucht werden")
- Anforderungsvielfalt (unterschiedliche Fähigkeiten und Fertigkeiten können eingesetzt werden)
- Möglichkeiten der sozialen Interaktion (Aufgaben mit Kooperation)
- vielfältige soziale Kontakte
- Autonomie (Entscheidungsbefugnisse); Handlungsspielraum
- Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten (Weiterentwicklung beruflicher Qualifikationen)
Dazu kommt noch das sichere und (relativ) gut bezahlte Beschäftigungsverhältnis, denn Angst vor Arbeitslosigkeit, wie sie in anderen Berufsgruppen oftmals herrscht, ist genauso wie Unterforderung ein großer Stressor.
Tipp |
Überlegen Sie einmal, mit welchen Motiven Sie damals in den Lehrerberuf gegangen sind: Was war Ihnen zu Beginn des Studiums/beim Berufseinstieg wichtig, welche Ziele wollten Sie für sich persönlich verfolgen? Was ist davon geblieben, was der Realität zum Opfer gefallen? Was könnten Sie tun, um für sich die "schönen Seiten" des Lehrerberufs wieder zu entdecken? |
Wie zufrieden sind die Lehrkräfte selber mit ihrem Beruf, nehmen sie die schönen und gesundheitsförderlichen Seiten des Berufs noch wahr? Hier muss unterschieden werden zwischen dem Lehrerberuf allgemein (Berufszufriedenheit) und der konkreten Situation an der einzelnen Schule (Arbeitszufriedenheit). Das Allensbacher Institut für Demoskopie ermittelte 2011, dass 74% der Lehrkräfte sich wieder für den Lehrerberuf entscheiden würden. Nur 12% würden inzwischen einen anderen Beruf wählen (Quelle: Forum Schule). In einer eigenen Befragung gaben von 360 Lehrkräften aus acht Schulen sogar 90% an, der Beruf mache noch Spaß. Dabei handelte es sich keineswegs nur um junge Lehrkräfte, befragt wurden Kollegien mit einem Altersdurchschnitt von 45,4 Jahren. "Lust auf Schule" ist demnach - auch nach einigen Jahren Berufserfahrung - ungebrochen.
Fragt man Lehrkräfte allerdings nach der Arbeitszufriedenheit, sehen die Ergebnisse anders aus.
So leidet zum Beispiel ein großer Teil der oben genannten 360 Befragten unter den hohen beruflichen Beanspruchungen an der jeweiligen Schule und fühlt sich eher krank als gesund (Nieskens & Sieland, 2008). Demnach bedeutet Lehrersein offenbar also mehr Frust denn Lust, viele Lehrerinnen und Lehrer nehmen derzeit eher die zunehmenden Anforderungen wahr und wissen zunehmend weniger, woher sie Ideen und Kräfte nehmen sollen, um die Anforderungen zu bewältigen.
Dieses Kapitel hat sich deshalb unter anderem zum Ziel gesetzt, die schönen Seiten des Lehrerberufs wieder in den Blick zu nehmen, erfahrbar zu machen und Ideen für mehr "Lust auf Schule" zu vermitteln.