Alle Gefahren gehen entweder direkt von den Inhaltsstoffen der Desinfektionsmittel aus oder von teilweise bei der Anwendung des Desinfektionsmittels entstehenden Reaktionsprodukten (Wirkstoffe entstehen in situ, z. B. Formaldehydabspalter und chlorabspaltende Verbindungen). Von der Desinfektionsaufgabe und dem Desinfektionsverfahren hängt ab, zu welchen Gefährdungen durch Desinfektionsmittel es kommen kann. Es können inhalative Gefährdungen durch die Dämpfe und Aerosole der Inhaltsstoffe, dermale Gefährdungen durch direkten Kontakt mit dem Desinfektionsmittel oder durch Spritzer bestehen sowie physikalische Gefährdungen durch entzündbare Inhaltsstoffe.
Aufnahmewege
Die wesentlichen Expositionswege sind das Einatmen von Gefahrstoffen (inhalativer Weg) und der Hautkontakt (dermaler Weg). Auch oral können Gefahrstoffe durch verschmutzte Hände und über Aerosole in den Verdauungstrakt gelangen. Das Verschlucken spielt bei der Durchführung von Desinfektionsarbeiten für die Beschäftigten nur eine marginale Rolle. Auf eine Betrachtung der oralen Exposition kann meist verzichtet werden, da diese wegen der erforderlichen Hygienemaßnahmen in den medizinischen Einrichtungen erfahrungsgemäß nicht relevant ist und eher einen Unfall darstellt. Die orale Exposition wird im Folgenden analog zur TRGS 525 nicht weiter betrachtet.
Kennzeichnung der Desinfektionsmittel
Desinfektionsmittel sind im allgemeinen Gemische aus einem oder mehreren desinfizierenden Wirkstoffen und einer Reihe an Zusatzstoffen wie Lösungsvermittlern, Tensiden, Duftstoffen etc. Sie sind abhängig von ihren Inhaltsstoffen mit verschiedenen Gefahrenpiktogrammen gekennzeichnet und mit den entsprechenden Gefahrenhinweisen (H-Sätzen) versehen. Informationen zur Kennzeichnung des Produkts können dem jeweiligen Sicherheitsdatenblatt in Abschnitt 2 entnommen werden. In Abschnitt 3 des Sicherheitsdatenblatts wird die Kennzeichnung jedes einzelnen Inhaltsstoffs des Desinfektionsmittels gesondert aufgeführt. Einzelne Hersteller stellen im Sicherheitsdatenblatt zudem Angaben zur Kennzeichnung der verdünnten Anwendungslösung zur Verfügung. Diese kann gegebenenfalls auch selbst ermittelt werden (z. B. Gemischrechner der GISCHEM). Dabei ist zu beachten, dass Desinfektionsmittel, die nur als Arzneimittel zugelassen oder als Medizinprodukte in Verkehr gebracht sind (siehe Kapitel 2.2), einer solchen Kennzeichnung nicht unterliegen. Die Desinfektionsmittel bergen keineswegs alle die gleichen Gefahren.
Die Desinfektionsmittel können folgende Piktogramme aufweisen (siehe auch DGUV Information 213-034 "GHS – Global Harmonisiertes System zur Einstufung und Kennzeichnung von Gefahrstoffen"):
- (extrem/leicht) entzündbar (GHS02) oder oxidierend wirken (GHS03) als potenzielle Brandlast an Arbeitsplätzen
- reizend (GHS07) oder ätzend (GHS05) für Haut und Augen
- sensibilisierend für die Haut (GHS07)
- akut toxisch (GHS06) oder gesundheitsschädlich (GHS07) als Ursache für leichte bis schwere gesundheitliche Schäden
- gesundheitsgefährdend (GHS08) mit atemwegssensibilisierenden, krebserzeugenden, keimzellmutagenen, reproduktionstoxischen oder organschädigenden Eigenschaften
- umweltgefährlich (GHS09) als eine Gefahr für Wasserorganismen
- keine Gefahrenkennzeichnung
Tabelle 5 (S. 27) verdeutlicht die häufigste Kennzeichnung von Desinfektionsmitteln anhand von Gefahrenpiktogrammen nach einer Marktrecherche Anfang 2020 (siehe Anhäuser, Halsen et al. 2021). Bei Produkten, die mit GHS02 gekennzeichnet sind, handelt es sich überwiegend um gebrauchsfertige Lösungen oder Tücher zur alkoholischen Flächen- oder Hände-/Hautdesinfektion. Gebrauchsfertige Lösungen oder Tücher auf Basis quartärer Ammoniumverbindungen zur Flächendesinfektion sind oft mit keinem Piktogramm gekennzeichnet, Desinfektionsmittelkonzentrate für Flächen und Medizinprodukte sind hingegen mit GHS05, GHS07, GHS08 und/oder GHS09 gekennzeichnet.
Tabelle 5 Verteilung der Kennzeichnung von Desinfektionsmitteln nach absteigender Häufigkeit anhand von Gefahrenpiktogrammen Anfang 2020 (siehe Anhäuser, Halsen et al. 2021).
Piktogramm | Anzahl | Fläche | Hände/Haut | Medizinprodukte |
---|---|---|---|---|
GHS02, GHS07 | 364 | 133 | 229 | 2 |
GHS02 | 180 | 152 | 28 | |
Ohne | 173 | 137 | 2 | 34 |
GHS05, GHS07, GHS09 | 115 | 70 | 45 | |
GHS05, GHS09 | 104 | 80 | 24 | |
GHS05, GHS07, GHS08, GHS09 | 51 | 22 | 29 | |
GHS05 | 47 | 35 | 2 | 10 |
GHS02, GHS05, GHS07 | 40 | 23 | 14 | 3 |
GHS02, GHS05, GHS07, GHS08, GHS09 | 22 | 13 | 9 | |
GHS07 | 22 | 11 | 1 | 10 |
GHS05, GHS07 | 20 | 9 | 1 | 10 |
GHS05, GHS07, GHS08 | 20 | 7 | 13 | |
Weitere Piktogrammkombinationen | 75 | 22 | 8 | 45 |
Summe | 1.233 | 714 | 285 | 234 |
Hinweise zu Art und Schweregrad der Gefährdung durch ein Desinfektionsmittel geben die Gefahrenhinweise (H-Sätze). Häufige H-Sätze in Desinfektionsmitteln sind beispielsweise (Auflistung ist nicht vollständig):
- H225 Flüssigkeit und Dampf leicht entzündbar
- H226 Flüssigkeit und Dampf entzündbar
- H302 Gesundheitsschädlich beim Verschlucken
- H318 Verursacht schwere Augenschäden
- H319 Verursacht schwere Augenreizungen
- H336 Kann Schläfrigkeit und Benommenheit verursachen
- H410 Sehr giftig für Wasserorganismen, m...
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