Informationen aus unserer Umwelt, auch zur Orientierung, werden in erster Linie visuell, d.h. über das Sehen wahrgenommen. Dies gilt auch für Menschen mit Sehbehinderung. Sind die Sehfähigkeiten so weit eingeschränkt, dass auch eine optimale visuelle Gestaltung nicht ausreicht, so ist die Information für einen anderen Sinn (z. B. Hören) bereitzustellen.
Barrierefreiheit soll dem Kreis der potentiellen Nutzer einen selbständigen Zugang zur Bildungs- und Arbeitswelt ermöglichen. Hilfen, die die Orientierung und Informationsaufnahme in angemessener Form und hinreichend gewährleisten, fördern Selbständigkeit.
Eine barrierefreie Gestaltung muss die nachfolgenden Mindestanforderungen erfüllen:
Die visuelle Gestaltung muss bei eingeschränkter Sehfähigkeit und Verwendung von Hilfsmitteln (z. B. Brille) die Wahrnehmbarkeit und Erkennbarkeit von Informationen ermöglichen (siehe Abbildung 1).
Dies wird beispielsweise erreicht durch eine kontrastreiche Gestaltung bzgl.:
- Leuchtdichte (Hell-Dunkel-Kontrast)
- Farbe
- Form
- Größe
- Struktur
Weitere wichtige Kriterien einer optimalen visuellen Gestaltung sind insbesondere
- die räumliche Anordnung
- der Betrachtungsabstand
- die blendfreie Beleuchtung/Belichtung
Der Ort einer Information oder eines Bedienelementes muss durch erwartungskonforme oder sinnfällige Anordnung einfach auffindbar sein.
In der Bildungs- und Arbeitswelt unterliegen Menschen mit Seheinschränkungen grundsätzlich einem erhöhten Unfallrisiko. Insbesondere auf Verkehrsflächen können Gefährdungspotentiale bestehen, z. B. durch Niveauwechsel oder Ganzglastüren, die eine kontrastreiche Gestaltung erfordern.
Eine kontrastreiche Gestaltung erleichtert die Orientierung, damit potenzielle Nutzer schneller Service- und Noteinrichtungen auffinden und Hindernissen ausweichen können. Eine visuell kontrastreiche Gestaltung hilft auch Menschen ohne Behinderung (z. B. Ortsunkundigen) bei der Informationsaufnahme. Diese Gestaltung kann sich auch positiv auf die Informationsverarbeitung bei kognitiv eingeschränkten Menschen auswirken (siehe Abbildung 2).
Abb. 1 Simulation normaler und eingeschränkter Visus
Abb. 2 Visuell kontrastreich gestaltete Information: Fluchtwegebeschilderung
Bei der Gestaltung ist zu berücksichtigen, dass seheingeschränkte Menschen sich überwiegend im Nahbereich orientieren (3 bis 4 m). Einfache Formen sind anzustreben, weil diese auffälliger und leichter erkennbar sind.
Die visuelle Gestaltung z. B. von Informationstafeln, Piktogrammen oder Bedienelementen sollte Personen mit einer Sehschärfe von 0,1 ohne Hilfsmittel (z. B. Brille), also einem Restvisus von 10 %, berücksichtigen. Damit wird eine große Anzahl sehbehinderter Menschen erreicht.
Die optische Wahrnehmung beruht auf Helligkeits- oder Farbkontrasten zwischen dem gesehenen Objekt und seiner Umgebung (z. B. dunkle Schriftzeichen auf hellem Grund).
Der Kontrast ist der relative Leuchtdichteunterschied zwischen den benachbarten Bereichen.
Der Kontrast kann Werte zwischen -1 und +1 annehmen, wobei das Vorzeichen bestimmt, ob es sich um einen Positivkontrast oder um einen Negativkontrast handelt (siehe Abbildung 3).
Für die Kennzeichnung z. B. von Bedienelementen an Notrufeinrichtungen oder Informationstafeln ist ein Kontrast von mindestens 0,7, bei Bedienelementen und Bodenmarkierungen von mindestens 0,4 einzuhalten. Bei Schwarz-Weiß-Darstellungen haben sich Kontraste von mindestens 0,8 bewährt.
Je höher die Anforderungen an die Sehaufgaben, umso höher ist der erforderliche Kontrast zu wählen. Verminderte Sehleistungen erfordern einen höheren Kontrast.
Sehbehinderte Menschen benötigen im Gegensatz zu Normalsichtigen im Nahbereich Orientierungshilfen wie beispielsweise große auffällige Objekte, die sich durch ihre Farbgebung vom Hintergrund abheben. Große ungestaltete Räume oder Freiflächen können dagegen verunsichern und verwirren. Daher sollten sich zur erleichterten Orientierung z. B.
- Wände und Böden
- Türen und Zargen
- Bedienelemente und ihre Umgebung
durch eine kontrastreiche Gestaltung unterscheiden (siehe Abbildung 4). Hilfreich sind auch Markierungen an den Wänden, die als Leitlinien benutzt werden können.
Insgesamt sollte die Gestaltung der Umwelt darauf abzielen, Menschen mit einem Restvisus von 0,1 (10 Prozent Sehschärfe) eine visuelle Orientierung im Raum zu ermöglichen.
Abb. 3 Farbkombinationen und Kontrastwerte
Abb. 4 Visuell kontrastreiche Gestaltung von Boden und Wand
Die barrierefreie Gestaltung fordert grundsätzlich einen Hell-Dunkel-Kontrast, wobei Farben als unterstützendes Medium dienen können. Reine Schwarz-Weiß- bzw. Grau-Kontraste wirken auf Dauer ermüdend und sollten deshalb durch Farben ergänzt werden. So wirken Farbkombinationen mit Komplementärfarben intensiver, da das Auge die komplementäre Farbe fordert und im Nachbild selbst erzeugt.
Als problematisch erweisen sich - wie dargestellt - Komplementärfarben mit gleicher Sättigung, da die Kontrastwahrnehmung infolge Farbfehlsichtigkeit eingeschränkt sein oder sogar vollständi...