Informationen aus unserer Umwelt und unserem Umfeld nehmen wir zu 80 bis 90 % durch Sehen, d. h. visuell auf. Beeinträchtigungen des Sehvermögens bedingen, dass ein Ausgleich über andere Sinne erfolgen muss. So setzen blinde Menschen oder Menschen ohne ausreichendes Sehvermögen vordringlich ihre taktilen und auditiven Sinne (Tastsinn und Hörvermögen) ein. Diese Sinne müssen gezielt geschult sein. Nach Möglichkeit ist die Vermittlung von Informationen parallel für verschiedene Sinne anzubieten.
Barrierefreies Planen soll für den zu erwartenden Personenkreis gleiche Bedingungen bezogen auf die Zugänglichkeit von Räumen sowie die Nutzung von Einrichtung und Ausstattung schaffen. Kompensatorische Hilfen, die die Orientierung und Informationsaufnahme in angemessener Form und hinreichend gewährleisten, fördern Selbständigkeit und Unabhängigkeit erheblich.
Der Informationsvermittlung mittels Tastsinn kommt mit zunehmendem Sehverlust eine wichtige Rolle zu.
Um sich zurechtzufinden, müssen auch blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen ihre Umgebung wahrnehmen und erkennen können. Hierfür ist ein mit taktilen Orientierungshilfen ausgestattetes Umfeld erforderlich, aus dem sie ausreichende Informationen ableiten können.
Gleiche Voraussetzungen gelten für die Nutzbarkeit von Anlagen und Arbeitsmitteln - beispielsweise durch taktil erfassbare Bedienelemente.
Bei der taktilen Orientierung wird in der Bewegung tastend mit
- dem Langstock
- den Füßen
- den Händen
die Umwelt erfühlt.
Dabei sind der Nahbereich und der Fernbereich zu unterscheiden.
Für den Fernbereich kommen Hilfsmittel zum Einsatz, in aller Regel der Langstock, mit dem Hindernisse im Raum sowie die Struktur und Textur in der Fläche detektiert werden (siehe Abbildung 1).
Zusätzlich hilft es blinden und sehbehinderten Menschen, topografische Situationen über die Füße und Schuhsohlen wahrzunehmen und zu erkennen.
Je größer die Unterschiede der Oberfläche in der Struktur und im Härtegrad verwendeter Materialien sind, desto größer ist die Signalwirkung und damit die Unterscheidbarkeit.
Der Nahbereich wird in erster Linie mit der Hand oder mit den Fingerkuppen abgetastet.
Abb. 1 Bodenleitsysteme zur Zielfindung und Umgehung von Hindernissen
Orientieren und Leiten mit dem Langstock und den Füßen |
Sehbehinderte und blinde Menschen, die einen Langstock einsetzen, orientieren sich mit der sogenannten Tipp- oder Schleiftechnik über Pendelbewegungen des Langstocks (siehe Abbildung 2).
Die Kontraste zwischen zwei benachbarten Flächen sind wesentliche Informationsgeber. Da die taktile Wahrnehmung und Erkennung über den Langstock nur sehr grob ist, bedarf es einer eindeutigen Differenzierung einzelner Flächen.
Dies kann durch die Verwendung unterschiedlicher Bodenbeläge oder von Bodenindikatoren gewährleistet werden.
Weitere Informationen zu Bodenbelägen sind in gesonderten Fachinformationsblättern enthalten.
Orientierungshilfen für sehbehinderte und blinde Menschen müssen
- systematisch
- durchgehend
- zusammenhängend
gestaltet sein.
Dies sollte möglichst unabhängig von gegebenenfalls parallel vorhandenen visuellen und auditiven Orientierungshilfen gewährleistet sein. Voraussetzung für die Nutzbarkeit eines Leit- und Orientierungssystems ist, dass die Systematik wiederkehrend und überall mit gleicher Bedeutung ausgeführt wird.
Weitere Informationen zu Leit- und Orientierungssystemen sind in gesonderten Fachinformationsblättern enthalten.
Abb. 2 Absicherung des Bewegungsraums über Pendelschlag
Orientieren und Leiten mit Hilfe der Hände |
Die Orientierung in unmittelbarer Nähe erfolgt mit Hilfe der Hand und der Finger.
So können Handläufe in Gebäuden mit taktilen Hilfen versehen werden, die Informationen für Sehbehinderte und Blinde vermitteln. Beispiele hierfür sind
Abb. 3 Stockwerksanzeigen an Handläufen mit Hilfe von Punkten
- Stockwerksanzeigen an Treppenhandläufen am Treppenan- und -austritt (siehe Abbildung 3 und 4)
- Raumbezeichnungen oder Richtungshinweise an Handläufen in Fluren
- Raumbezeichnungen an Türdrückern (siehe Abbildung 5)
- Beschilderungen mit Bezeichnung und Nummer der einzelnen Räume - insbesondere bei allgemein zugänglichen Räumen wie z. B. Sanitärbereichen (siehe Abbildung 7)
Als taktile Hilfen bieten sich einfache Strukturen wie Punkt und Strich (siehe Abbildung 3) oder aber auch erhabene Profil- und Punktschrift an (siehe Abbildung 4).
Abb. 4 Stockwerksanzeigen an Handläufen über Punktschrift und erhabene Profilschrift
Abb. 5 Türdrücker mit integrierter Punktbeschriftung
Wesentliche Medien für Information und Orientierung im Nahbereich sind die taktil gestalteten Schriften:
- Punktschrift
- erhabene Profilschrift
- tastbare Normalschrift
Punktschrift (auch Blindenschrift oder Brailleschrift genannt) wird vorwiegend von früherblindeten Menschen genutzt (siehe Abbildung 6).
Für Menschen, die der Brailleschrift nicht mächtig sind - insbesondere späterblindete Menschen - bedarf es zusätzlich der Darstellung der Texte in taktil gestalteter Normalschrift oder erhabener...