Im Gegensatz zu pegelabhängig dämmenden Gehörschützern werden zugelassene Hörgeräte an Lärmarbeitsplätzen erst eingesetzt, wenn die Hörschwellenverschiebung die Kriterien für eine Hörgeräteversorgung erreicht oder überschritten hat. Individuelle Auswahl und Anpassung erfolgen in diesem Fall durch Hörakustikfachleute.
Es gibt arbeitstechnische Voraussetzungen, welche den Hörgeräteeinsatz im Lärmbereich erforderlich machen können:
- Ohne Kommunikation im Lärmbereich ist die beschäftigte Person zur Tätigkeitsaufgabe gezwungen.
- Die ausgeübte Tätigkeit im Lärmbereich erfordert wiederkehrende persönliche Kommunikation, die entscheidend für die Bewältigung der Arbeitsaufgabe ist.
- Das Hören von Maschinengeräuschen im Lärmbereich ist zur Ausführung der Arbeitsaufgabe erforderlich, wobei die Frequenzzusammensetzung des Geräusches erkannt oder überwacht werden muss. Der entscheidende Frequenzbereich des Maschinengeräusches muss dabei im Verstärkungsbereich des Hörgerätes liegen.
- Das Hören von Warnsignalen ist ohne Hörgerät am Lärmarbeitsplatz nicht möglich. Die Warnsignalhörbarkeit mit dem Hörgerät mit Gehörschutzfunktion wird durch Erprobung nachgewiesen.
Zum Einsatz in Lärmbereichen sind nur Hörgeräte zulässig,
- die zusammen mit einer geeigneten Otoplastik als Persönliche Schutzausrüstung (PSA) geprüft sind und eine EU-Baumusterprüfbescheinigung besitzen (Komplettsysteme) oder
- die als Zusatzeinrichtung zu einer Gehörschutz-Otoplastik bestimmte Eigenschaften erfüllen (kombinierbare Systeme), wodurch sichergestellt ist, dass bei Nutzung dieser Kombination bis zum Kriteriumspegel der maximal zulässige Expositionswert von 85 dB(A) nicht überschritten wird.
Alle eingesetzten Hörgeräte müssen beim Einschalten das Arbeitsplatzprogramm (Programmplatz 1) aktivieren, welches bis zum Kriteriumspegel die Einhaltung des maximal zulässigen Expositionswertes von 85 dB(A) sicherstellt. Die Umschaltung in lautere Freizeitprogramme darf nur außerhalb von Lärmbereichen erfolgen und muss vom Benutzer bzw. der Benutzerin als bewusste Handlung ausgeführt werden.
Komplettsysteme zeichnen sich durch eine Begrenzung der Einstellbarkeit der Software durch die Hörakustikfachleute aus. Diese Begrenzung und die konkrete Einstellung der Prüfmuster muss im Rahmen der EU-Baumusterprüfung auf Basis des IFA-Prüfgrundsatzes GS-IFA-P14 "Grundsätze für die Prüfung und Zertifizierung von Hörgeräte-Komplettsystemen für den Lärmarbeitsplatz als Gehörschutz" durch eine Zusatzprüfung bei einer Stelle für Bauartprüfungen von Hörgeräten (z. B. Deutsches Hörgeräte Institut DHI) nachgewiesen werden.
Anforderungen an die für den Lärmbereich zugelassenen Hörgeräte als kombinierbare Systeme finden sich im DGUV Grundsatz 312-002 "Hörgeräte zur Verwendung mit einer Gehörschutz-Otoplastik für den Einsatz in Lärmbereichen". Die Gehörschutz-Otoplastik wird auf Basis des IFA-Prüfgrundsatzes GS-IFA-P16 "Grundsätze für die Prüfung und Zertifizierung von Gehörschutz-Otoplastiken für Hörgeräte für den Lärmarbeitsplatz als Gehörschutz" zugelassen. Die Hörakustikfachleute stellen für jede Versorgung eine geeignete Kombination aus Hörgerät und Gehörschutz-Otoplastik zusammen. Kombinierbare Hörgeräte sind auf www.dguv.de › Webcode d1183003 aufgeführt.
Bei allen Hörgeräte-Versorgungen für den Lärmarbeitsplatz ist eine Erfolgskontrolle zur Verbesserung des Sprachverstehens und ausreichender Signalwahrnehmbarkeit nötig. Eine individuelle In-situ-Messung ist nötig, um die Einhaltung des maximal zulässigen Expositionswerts für alle Einzelfälle sicherzustellen.