Bei der Heißverarbeitung von Kunststoffen, z.B. beim Extrudieren oder Kalandrieren, werden diese bestimmungsgemäß bei hohen Temperaturen (je nach Kunststoff und Verfahren 140 bis 340 °C) plastifiziert oder aufgeschmolzen. Hierbei können Zersetzungsprodukte gebildet und freigesetzt werden. Dies gilt in verstärktem Maße, wenn die Kunststoffmasse, z.B. bei Betriebsstörungen, überhitzt wird.
Tabelle 6: Zersetzungstemperaturbereiche einiger gängiger Thermoplaste
Thermoplast |
Zersetzungsbereich |
Polyethylen (HDPE, LDPE) |
340 - 440 °C |
Polycarbonat (PC) |
350 - 400 °C |
Polystyrol (PS) |
300 - 400 °C |
Polyvinylchlorid (PVC) |
180 - 300 °C |
Polymethylmethacrylat (PMMA) |
180 - 280 °C |
Polyamid 6 (PA 6) |
300 - 350 °C |
Polyamid 66 (PA 66) |
320 - 400 °C |
Welche Zersetzungsprodukte gebildet werden und in welchen Mengen und Mengenverhältnissen sie entstehen, hängt ab vom verarbeiteten Kunststoff, von der Summe aller zugefügten Additive und nicht zuletzt vom angewendeten Heißverarbeitungsverfahren und den dabei auftretenden Temperaturen.
Je nach Aufbau der Polymermoleküle bilden sich bei einigen Thermoplasten zu einem erheblichen Teil die Ausgangsmonomere zurück (Depolymerisation, z.B. bei PMMA und PS). Bei anderen entstehen Zersetzungsprodukte, deren Strukturen in den ursprünglichen Makromolekülen nicht vorhanden bzw. nicht vorgebildet waren (z.B. bei PVC). Es bilden sich fast ausschließlich gasförmige Zersetzungsprodukte, die z.B. aus Entlüftungsöffnungen von Werkzeugen und Extrudern oder offen liegenden heißen Kunststoffmassen, z.B. beim Kalandrieren, in die Umgebungsluft der Arbeitsbereiche austreten und so in die Atemluft der Beschäftigten gelangen können.
In nahezu allen Thermoplast verarbeitenden Betrieben treten, je nach Art der verarbeiteten Thermoplaste, charakteristische Gerüche auf, die zum Teil als belästigend oder als atemwegsreizend empfunden werden können. Das ist vor allem der Fall, wenn die Verarbeitungstemperaturen sich den Zersetzungstemperaturbereichen nähern oder im Falle betriebstechnischer Störungen, wenn die Kunststoffmassen überhitzt werden oder längere Zeit bei hohen Temperaturen verweilen.
Die Palette der jeweils auftretenden Zersetzungsprodukte entzieht sich aufgrund ihrer komplexen und wechselnden Zusammensetzung bisher weitgehend einer exakten arbeitshygienischen Charakterisierung. Festzuhalten bleibt, dass bei der Vielzahl der möglichen Zersetzungsprodukte auch solche enthalten sein können, die ein gesundheitsschädigendes Potential aufweisen. Für einige Zersetzungsprodukte sind Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) festgelegt.
Bei vielen Verarbeitungsverfahren und Kunststoffen kann im störungsfreien Betrieb davon ausgegangen werden, dass weder die AGW von Einzelstoffen, noch Summengrenzwerte gemäß TRGS 403 überschritten werden. Oftmals liegen die Konzentrationen der Einzelkomponenten weit unter den Grenzwerten bzw. sogar unterhalb der Nachweisgrenze. Allerdings gibt es auch einige wenige Verarbeitungsverfahren und Kunststoffe, bei denen Gefahrstoffe bei der Heißverarbeitung in so hoher Konzentration entstehen, dass AGW unter ungünstigen Umständen erreicht bzw. sogar überschreiten sein können (siehe hierzu auch Tabelle 8). In Zweifelsfällen, insbesondere wenn ernstzunehmende Klagen von Mitarbeitern vorliegen, ist seitens des Unternehmens zu ermitteln. Hierfür eignen sich betriebliche Messungen. Aufgrund der Komplexität der zu erfassenden Stoffsysteme empfiehlt sich die Messung so genannter Leitkomponenten.
Ist der Grenzwert der relevanten Leitkomponente im Arbeitsbereich weit unterschritten, kann davon ausgegangen werden, dass keine gesundheitliche Beeinträchtigung der Mitarbeiter zu erwarten ist. Tabelle 7 erhebt allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit bezüglich der Leitkomponenten, weshalb die Methode nur zur Orientierung herangezogen werden kann.
Obwohl es bei der Heißverarbeitung von Kunststoffen nur sehr selten zur Überschreitung von Arbeitsplatzgrenzwerten kommt, können besonders die nachfolgend beschriebenen Kunststoffe und Arbeitsverfahren mit einer erhöhten Belastung, insbesondere durch atemwegsreizende Stoffen, verbunden sein:
1. |
Die thermoplastische Verarbeitung von Regenerat, z.B. Shredder-Material aus Wertstoffsammlungen, kann aufgrund der vergleichsweise heterogeneren Zusammensetzung des eingesetzten Materials, dem Anhaften von Verunreinigungen und der nicht mehr dem Optimum entsprechenden Konzentration an enthaltenen Stabilisatoren, mit einer deutlich erhöhten Rauchbildung verbunden sein. Über Arbeitsplatzbelastungen und Zusammensetzung der Rauche ist bisher wenig bekannt. |
2. |
Während die meisten Thermoplaste erst bei deutlicher Überschreitung der jeweiligen Verarbeitungstemperatur zur Zersetzung und damit zur Freisetzung von Gefahrstoffen in erhöhter Konzentration neigen, liegen bei einigen wenigen Kunststoffarten die Verarbeitungstemperatur und die Zersetzungstemperatur vergleichsweise nahe zusammen. In solchen Fällen können bereits bei der üblichen Verarbeitungstemperatur atemwegsreizende Stoffe in erhöhte... |