Dr. jur. Edgar Rose, Prof. Dr. Jürgen Taeger
Mit § 2 werden zentrale Begriffe des Arbeitsstättenrechts systematisch definiert und damit vor allem der Anwendungsbereich der Verordnung oder einzelner Vorschriften konkretisiert. Im Zuge der ArbStättV-Novelle 2016 ist nicht nur der Katalog der Begriffsbestimmungen von 5 auf 11 Begriffe erweitert worden. Zugleich ist der Begriff Arbeitsstätte neu gefasst und der Begriff Arbeitsplatz inhaltlich ausgedehnt worden. Hieraus ergibt sich ein erweiterter Anwendungsbereich von Vorschriften der Verordnung, die an das Vorliegen eines Arbeitsplatzes anknüpfen.
Arbeitsstätten sind gemäß § 2 Abs. 1 einerseits Orte auf dem Gelände eines Betriebes oder andererseits auf Baustellen. Zum Betriebsgelände gehören auch außerhalb des eigentlichen Betriebs durch den Arbeitgeber angemietete Gebäude oder gepachtete Flächen (vgl. LASI-Leitlinien LV 40, 2. Aufl. 2020, S. 11). Baustelle ist der Ort, an dem ein Bauvorhaben gemäß § 1 Abs. 3 BaustellV ausgeführt wird. Auf dem Betriebsgelände können ausdrücklich nicht nur Arbeitsräume, sondern auch andere Räume sowie Orte im Freien als Arbeitsstätte gelten. Weitere Voraussetzung ist in allen Fällen, dass die Orte zur Nutzung für Arbeitsplätze vorgesehen sind. Da der Begriff des Arbeitsplatzes nicht mehr an eine zeitliche Mindestaufenthaltsdauer gebunden ist (s. u.), zählen damit auch weiterhin alle betrieblichen Orte, zu denen Beschäftigte tätigkeitsbedingt Zugang haben, zur Arbeitsstätte. Aus der amtlichen Begründung (BR-Drs. 506/16, S. 24) ergibt sich, dass der Begriff der Arbeitsstätte durch die Neufassung 2016 lediglich klarer und verständlicher, aber inhaltlich nicht verändert werden sollte. Zur Klarstellung wird in § 2 Abs. 2 eine nicht abschließende Reihe von Beispielen angeführt, welche Orte, Wege, Räume und Einrichtungen zur Arbeitsstätte gehören.
Zahlreiche Vorschriften im Anhang der ArbStättV gelten allerdings nicht für Arbeitsstätten generell, sondern regeln speziell die Anforderungen an die Einrichtung oder den Betrieb von Arbeitsräumen oder Arbeitsplätzen. Zur Bestimmung der genauen Pflichten des Arbeitgebers kommt es daher auch auf diese Begrifflichkeiten an. Generell gilt nach der ArbStättV-Reform 2016, dass Vorschriften für Arbeitsplätze überall dort gelten, wo Beschäftigte, sei es auch noch so kurz oder sporadisch, arbeitsbedingt in einer Arbeitsstätte tätig werden. Vorschriften für Arbeitsräume gelten nur in Gebäuden, wenn eine arbeitsbedingte Tätigkeit "dauerhaft" erfolgt.
Arbeitsplätze sind gemäß § 2 Abs. 4 Bereiche, in denen Beschäftigte im Rahmen ihrer Arbeit tätig sind. Arbeitsplätze im Sinne der ArbStättV müssen sich zudem innerhalb von Arbeitsstätten befinden. Werden Beschäftigte z. B. in der Wohnung von Kunden tätig, wird diese nicht zum Arbeitsplatz (vgl. LASI-Leitlinien LV 40, 2. Aufl. 2020, S. 13). In der ArbStättV-Reform 2016 blieb der Begriff des Arbeitsraums unverändert, während die Definition des Arbeitsplatzes ausgedehnt wurde. Die Anforderung eines Mindestzeitraums des Tätigwerdens von Beschäftigten ist beim Arbeitsplatzbegriff entfallen. Nunmehr sind auch Bereiche, in denen Beschäftigte nur sehr kurz tätig sind, Arbeitsplätze. Das ist laut amtlicher Begründung (BR-Drs. 506/16, S. 24 f.) ausdrücklich so gewollt, um europäischem Recht nachzukommen und Widersprüche mit anderen Verordnungen zu vermeiden.
Regelungen für Arbeitsplätze erweitert anzuwenden
Regelungen wie Anhang 3.1 und 3.2, die bestimmte Pflichten an den Begriff des Arbeitsplatzes knüpfen, sind seit der Neuregelung 2016 auch auf Bereiche zeitlich sehr begrenzter Tätigkeiten anzuwenden. Lag bis dahin die Grenze bei 2 Stunden täglich bzw. 30 Tagen im Jahr, ab der ein Bereich als Arbeitsplatz begriffen wurde (vgl. LASI-Leitlinien LV 40, 2. Aufl. 2020, S. 13), kommt es darauf seither nicht mehr an. Einige Vorschriften wie die zur ausreichenden Bewegungsfläche (Anhang 3.1) oder die zur Möglichkeit, sich bei Gefahr schnell in Sicherheit zu bringen (Anhang 3.2), gelten also nunmehr auch für Räume, die nur sehr gelegentlich für kurze Zeit aufgesucht werden. Allerdings hat der Verordnungsgeber die Zahl der Pflichten reduziert, die lediglich an das Vorliegen eines Arbeitsplatzes anknüpfen. Zudem findet sich eine Bestandsschutzregelung für die Anwendung von Technischen Regeln in § 8 Abs. 2.
Arbeitsräume sind gemäß § 2 Abs. 3 ArbStättV die Räume, in denen Arbeitsplätze innerhalb von Gebäuden dauerhaft eingerichtet sind. Unter "dauerhaft" ist nicht ständig, täglich oder auf unabsehbare Zeit zu verstehen, sondern dass in dem betreffenden Raum eine Tätigkeit aufgenommen wird, die zeitlich so lange andauert, dass sich bestimmte Gefährdungen einstellen, die bei kurzer Dauer zu vernachlässigen sind. Die Regelungen, die für Arbeitsräume gelten, betreffen z. B. Tageslichteinfall und Sichtverbindung (Anhang 3.4), zuträgliche Raumtemperatur und Lüftung (Anhang 3.5 und 3.6). Solche Anforderungen mögen für kurze und seltene Einsätze verzichtbar sein. Teilweise wird daher die Formel für den alten Arbeitsplatzbegriff h...