Dr. rer. nat. Ulrich Welzbacher
1.1 Vorgehensweise in Stufen
1.1.1 Gesundheit des Menschen
Bei der Ermittlung schädlicher Wirkungen auf die Gesundheit des Menschen werden nach Anhang I 1907/2006/EG das toxikokinetische Profil (d. h. Resorption, Stoffwechsel, Verteilung und Ausscheidung) des Stoffes und die folgenden Wirkungsgruppen berücksichtigt:
- akute Wirkungen (akute Toxizität, Reiz- und Ätzwirkung),
- Sensibilisierung,
- Toxizität bei wiederholter Aufnahme und
- krebserzeugende, keimzellmutagene und reproduktionstoxische Wirkungen (CMR-Wirkungen).
Ausgehend von sämtlichen verfügbaren Informationen werden erforderlichenfalls auch andere Wirkungen berücksichtigt.
Die Ermittlung schädlicher Wirkungen umfasst die folgenden 4 Schritte:
- Bewertung von Informationen, die nicht am Menschen gewonnen wurden,
- Bewertung von Humaninformationen,
- Einstufung und Kennzeichnung,
- Ableitung der DNEL-Werte.
Die ersten 3 Schritte werden für jede Wirkung unternommen, für die geeignete Informationen vorliegen. Der jeweilige Inverkehrbringer (Lieferant) muss sie im entsprechenden Abschnitt des Stoffsicherheitsberichts festhalten sowie erforderlichenfalls im erweiterten REACH-Sicherheitsdatenblatt in den Abschnitten 2 und 11 zusammenfassen.
1.1.2 Umwelt
Die Ermittlung schädlicher Wirkungen auf die Umwelt umfasst folgende 3 Schritte, die im Stoffsicherheitsbericht klar als solche gekennzeichnet werden:
- Bewertung der Informationen,
- Einstufung und Kennzeichnung,
- Ableitung der PNEC-Werte.
1.1.3 Unterschied zu "traditionellen" Grenzwerten
Die Schwierigkeiten bei der Aufstellung von DNELs und PNECs sind also im Grundsatz die gleichen wie bei der Ermittlung "traditioneller" Arbeitsplatzgrenzwerte oder Grenzkonzentrationen im Umweltbereich.
Der Unterschied besteht aber darin, dass für die Ermittlung von DNELs und PNECs keine staatlichen oder wissenschaftlichen Kommissionen zuständig sind, sondern die Lieferanten (Hersteller und Importeure). Dies kann auch dazu führen, dass verschiedene Lieferanten für denselben Stoff unterschiedliche DNELs und PNECs ermitteln, was natürlich zu Problemen bei den (nachgeschalteten) Anwendern führen kann.
1.2 Ziel: Schutzmaßnahmen
Bei der Beschreibung der mit der Ermittlung und Anwendung der neuen REACH-Grenzwerte zusammenhängenden Fragen wird im Folgenden schwerpunktmäßig auf DNELs für inhalative Belastung am Arbeitsplatz eingegangen.
Die für Tätigkeitern mit den jeweiligen Produkten vorgesehenen (und im Sicherheitsdatenblatt den nachgeschalteten Anwendern mitgeteilten) Schutzmaßnahmen müssen sicherstellen, dass der jeweilige DNEL eingehalten wird. Ist dies nicht gewährleistet, müssen die Schutzmaßnahmen entsprechend angepasst werden. Stehen keine geeigneten Schutzmaßnahmen zur Verfügung, mit denen der DNEL eingehalten werden kann, gilt die jeweilige Anwendung als "nicht sicher" und darf nicht durchgeführt werden, d. h., das jeweilige chemische Produkt darf für diesen Anwendungszweck nicht in Verkehr gebracht werden!
Die Prüfung, ob der jeweilige DNEL mit den vorgesehenen Schutzmaßnahmen eingehalten werden kann, muss für jeden Verwendungszweck und für alle Verwendungsstufen des Produktes durchgeführt werden – von der Herstellung der Rohstoffe bis zur Beseitigung der Endprodukte (z. B. Erzeugnissen).