Dipl.-Verww. (FH) Hildegard Schmidt
Aus dem Text des Urteils des VG Göttingen v. 22.8.2006 (3 A 38/05):
Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Anerkennung einer Sehnenscheidenentzündung im rechten Handgelenk (Finger III–V) als dienstunfallrechtliche Berufserkrankung. Die Klägerin war über Jahre hinweg im Controlling der Deutschen Bahn eingesetzt. Hierbei nahm sie vor allem in den letzten Jahren Aufgaben im Controlling wahr und arbeitete mit Computern überdurchschnittlich viel durch Drag-und-Drop-Funktionen. Die vorliegende Sehnenscheidenentzündung ist als Berufskrankheit qualifiziert worden. Die Klägerin war Beamtin des gehobenen Dienstes beim Bundeseisenbahnvermögen und der Deutschen Bahn AG zur Dienstleistung zugewiesen. Sie war als Fahrdienstleiterin, Aufsichtsbeamtin, Kundenbetreuerin, Abfertigungsleiterin, Programmiererin, Qualitätsbeauftragte, Filialleiterin und Controllerin eingesetzt.
Alle Tätigkeiten wurden mit kontinuierlich steigenden Anteilen der Dienstzeit, zuletzt mit rund 90 % seit Juni 2001, an Personal Computern (PC) ausgeführt. Als Eingabegeräte wurden Standardtastaturen und -mäuse benutzt. Ungefähr im Januar 2003 litt die Klägerin bei Drehbewegungen der rechten Hand ulnar unter Schmerzen, die durch die Hausärztin als Sehnenscheidenentzündung mit Ruhigstellung durch eine Gipsschale behandelt wurden.
Die Klägerin war dienstunfähig erkrankt; die Therapie erbrachte keine Besserung. Durch MRT- und Röntgenuntersuchungen der rechten Hand wurde eine angeborene Verkürzung der rechten Elle (Minusvariante der Ulnar) sowie eine degenerative Schädigung des Discus triangularis festgestellt. Ein Arbeitsversuch im April 2003 scheiterte nach drei Tagen an den wieder aufgetretenen starken Schmerzen.
Am 5.5.2003 zeigte die Klägerin ihrer Dienststelle Anhaltspunkte für eine Berufskrankheit an. Die Beschwerden im rechten Handgelenk führte sie auf intensive PC-Arbeiten zurück, insbesondere durch die Benutzung der Maus. Die hinzugezogene Betriebsärztin verordnete eine geteilte Tastatur und eine ergonomische Maus. Die behandelnden Ärzte empfahlen die Schonung der rechten Hand und unterstützende ergotherapeutische Behandlungen.
Auch diese Maßnahmen brachten keine Besserung. Daher wurde Ende Oktober 2003 am rechten Handgelenk der Klägerin eine Radiusverkürzungsosteotomie mit Exhairese des Nervus interosseus dorsalis durchgeführt; die Schmerzen wurden dadurch eher verschlimmert. Seit Ende März 2004 wurde die Klägerin in der Schmerzambulanz der Universitätsklinik I. behandelt. Zwischenzeitlich wurde sie als Automatenguide am Hauptbahnhof J. eingesetzt. Seit Mai 2005 ist sie durchgehend dienstunfähig erkrankt.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Klägerin erkrankte im Zeitraum von 2001–2003 innerhalb von zwei Jahren an einer Sehnenscheidenentzündung, die Sie durchgehend dienstunfähig machte. Sämtliche Versuche, die Sehnenscheidenentzündung unter Kontrolle zu bringen und die Gesundheit der Klägerin wieder herzustellen, kamen zu spät. Die medizinischen Eingriffe verschlimmerten letztlich das Problem.
Signalwirkung für Privatwirtschaft
Zwar erfasst dieses Urteil nur einen Streit aus dem Beamtenrecht, aber der beamtenrechtliche Begriff "Dienstunfall" ist enger gefasst als der sozialversicherungsrechtliche Begriff "Unfall". Zu berücksichtigen ist auch, dass die Vorschriften des Beamtenrechts zur Frage, was ein Dienstunfall ist und welche Erkrankungen anzuerkennen sind, deutlich detaillierter und umfassender sind als im privaten Sektor. Trotzdem gehen die Verfasser davon aus, dass dieser Fall auch für die Privatwirtschaft Signalwirkung haben wird.