Dipl.-Verww. (FH) Hildegard Schmidt
2.1 Handlungsanlass
Handlungsanlass in Ihrem Betrieb besteht, da bereits heute 80 % aller Tätigkeiten mit Bildschirmarbeit verbunden sind. Bildschirmarbeit muss laut Arbeitsschutzgesetz i. V. mit der Arbeitsstättenverordnung so gestaltet werden, dass Beschwerden gar nicht erst auftreten und die Arbeit störungsfrei verrichtet werden kann – unabhängig von der Dauer der Bildschirmtätigkeit. Die Anforderungen an einen Bildschirmarbeitsplatz sind in Anhang 6 Arbeitsstättenverordnung geregelt.
Der Handlungsanlass ergibt sich aus §§ 5 und 6 Arbeitsschutzgesetz, wonach die Gefährdungen bei der Arbeit vor dem Entstehen eines Risikos für die Gesundheit ermittelt werden müssen. Im vorliegenden Fall wurde es versäumt rechtzeitig, also während der Bildschirmtätigkeit, eine Analyse und Beurteilung durchzuführen. Eine realitätsnahe Dokumentation war deshalb nicht zu erwarten.
Realitätsnahe Dokumentation
Die Analyse kann nur soweit zur Beurteilung beitragen als der tatsächliche Zustand vor Ort erfasst wird. Sollen die Gefährdungsfaktoren ganzheitlich ermittelt werden, ist die Beteiligung des Beschäftigten erforderlich. Dazu zählen Informationen zur Arbeitsorganisation, die eine Beurteilung erlauben, ob die Expositionszeiten nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen zu einer Schädigung des Muskel-Skelettsystems führen könnten.
2.2 Verpflichtung zur Analyse und Beurteilung
Der Fall ist im unmittelbaren rechtlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsschutzgesetz und der Anwendung der Ende 2016 außer Kraft gesetzten Bildschirmarbeitsverordnung zu sehen. Im Bezug auf die fachliche Zuständigkeit ist § 6 Arbeitssicherheitsgesetz noch von Belang. Deshalb kommt diesem Gerichtsurteil für Ihre Arbeit vor Ort besondere Bedeutung zu. Es geht um die "Beweiskraft" einer vollständigen Gefährdungsbeurteilung.
Nicht nur, dass eine Überbeanspruchung der rechten Handgelenksmuskulatur hätte vermieden werden können, sondern auch die Beeinträchtigung der Psyche durch entstehenden Frust über die eingeschränkte Leistungsbefähigung bei der Wahrnehmung des Berufs. Im Kontext mit betriebswirtschaftlichen Überlegungen hat die fehlende Analyse, Beurteilung und letztlich Optimierung des Bildschirmarbeitsplatzes, an dem das Beschwerdebild entstanden ist, auch zu einer verminderten Leistung, einer Einschränkung der Qualität und letztlich zur Beeinträchtigung des Betriebsklimas im direkten Arbeitsumfeld der Beschäftigten geführt.
2.3 Dokumentation
Die Dokumentation umfasst eine ganzheitliche Betrachtung der Verhältnisse und des Verhaltens am Arbeitsplatz. Daraus lassen sich mögliche Risiken und Verbesserungspotenziale für den Erhalt und die Förderung der Gesundheit ableiten. Mit Blick auf das Gerichtsurteil ist deshalb bei statischen Arbeiten besonders zu dokumentieren, welcher physischen Belastung die betroffene Person ausgesetzt ist. Eine Dokumentation kann digital oder papiergebunden aufbereitet und aufbewahrt werden. In der Methodik müssen keine Formalismen eingehalten werden. Im Bezug auf die Aufbewahrungsfristen gelten übliche betriebliche Regelungen. Der vorliegende Fall zeigt, dass eine Aufbewahrungsfrist von mehreren Jahren von Vorteil ist (Auftritt des Schadens 2003, Tätigkeitsbeginn 2001).
2.4 Gefährdungsfaktoren bei Bildschirmarbeit
2.4.1 Physische Gefährdungsfaktoren
Physische Gefährdungsfaktoren sind z. B.:
- mangelhafte Ergonomie,
- dauerhafte, einseitige Benutzung von Arbeitsmitteln,
- fehlende körperliche und geistige Abwechslung.
Statische, einseitig dynamische Tätigkeiten, ständiges Sitzen, wiederholende Tätigkeiten, ständiges Halten, fördern Beschwerden des Muskel-Skelettsystems, zu denen auch Sehnenscheidenentzündungen gehören können.
Ergonomische Bedingungen ermitteln
Typische Beschwerden bei Bildschirmarbeit sind solche des Muskel-Skelettsystems, wie z. B. Schulterschmerzen, Nackenverspannungen, asthenopische Beschwerden, Sehnenscheidenentzündungen, Rückenschmerzen. Beschwerden des Muskel-Skelettsystems, die sich aus physischen Gefährdungen ergeben, können durch psychische Belastungen verstärkt oder sogar ausgelöst werden. Deshalb muss durch die Analyse der Arbeitsbedingungen, also der Verhältnisse und des offensichtlichen Verhaltens am Arbeitsplatz, ermittelt werden, ob die rein ergonomischen Bedingungen wenigstens erfüllt sind.
2.4.2 Psychische Gefährdungsfaktoren
Psychische Gefährdungen sind auf organisatorische und kommunikative Mängel zurückzuführen, z. B.:
- Unter- oder Überforderung,
- Monotonie,
- fehlende Anerkennung,
- fehlende Rückmeldung.
Psychische Belastungen
Psychische Belastungen, die sich in Form von Beschwerden des Muskel-Skelettsystems zeigen können (psychosomatische Beschwerden), werden bei Bildschirmarbeit durch mangelhafte Arbeitsorganisation ausgelöst. Dazu zählen u. a.: Fehlende Qualifizierung, Über- oder Unterforderung, mangelhafte oder fehlende Informationen, keine Möglichkeiten zur Kommunikation, fehlende Anerkennung, Monotonie. Neben den Stressoren ergonomisch mangelhafte Arbeitsplatzgestaltung, stä...