Im Folgenden wird versucht, die bekannten Konzepte, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit, nach ihren Wirkprinzipien zu gliedern und darzustellen, mit dem Ziel, einen differenzierten Überblick und Blick auf das Thema zu ermöglichen.
2.1 Kipp-Prinzip
Der aktive Weg zur besseren Haltung geht über unser immer präsentes Gleichgewichtsorgan, das uns in eine physiologisch richtige aufrechte Haltung bringen will. Das Kipp-Prinzip (Abb. 2) erzeugt eine Instabilität im Sitzträger durch eine Kippachse, die eine Bewegung nach vorne und hinten erlaubt. Ein automatisches Sitzen in Balance ist damit aber nicht per se verbunden. Die Sitzhaltung ist nicht bewusstseinspflichtig und so kann hier auch ein nicht physiologisches Sitzen mit Hohlrücken oder Rundrücken auftreten, wenn der Mitarbeiter nicht richtig im Lot über der Achse sitzt. Erst mit dem Wissen des Mitarbeiters, dass er direkt über der Kippachse sitzen muss, kann er physiologisch gesund in Balance sitzen. Es ist dabei am effektivsten, den Mitarbeiter die richtige und falsche Sitzweise selbst erfahren zu lassen, damit eine körperliche Referenzerfahrung entsteht und korrigierend wirken kann. Der Bewegungsimpuls kommt aus dem Mitarbeiter bzw. der Arbeitsaufgabe und der Auf- und Ausrichtungsimpuls wird über das Gleichgewichtsorgan bereitgestellt.
Abb. 2: Kipp-Prinzip – der Bewegungsimpuls kommt über eine Kipp-Achse, die ein vor und nach hinten wippen (Stuhlwippen in der Schule) ermöglicht
2.1.1 Wegbereiter balans
Der Variable balans (1979) (Abb. 3) wurde oft kopiert, aber nicht in seinem Wirkprinzip verstanden, denn das Sitzen in Balance macht die Stuhlfamilie aus. Der Name "Kniestuhl" greift nur eine dem Stuhl eigene Besonderheit auf.
Abb. 3: In Balance sitzen – Stuhl "balans" der Firma Varier, im Volksmund "Kniestuhl" genannt
Die Holzkonstruktion des balans lässt eine Mikroschwingung zu und ist damit eine Mischform zwischen Kipp- und Pendelprinzip. Peter Opsvik entwickelte seit 1999 sein Swing Concept. Produkte wie HAG Swing (Abb. 4) und Reflex1 waren an Seilen schwingend aufgehängt. Seine Kernaussage: Wenn der Mensch Raum für Bewegung bekommt, dann bewegt er sich aus sich. Er wird nicht still sitzen bleiben.
Abb. 4: HAG Swing
2.1.2 HAG Movement
Wenn Sie genau im Gleichgewicht sind (Balance), kontrolliert der ganze Körper den Stuhl und bestimmt in jeder möglichen Position, ob Sie sich bewegen oder still sitzen. Diese fußgesteuerte Bewegung der Balanced Movement Mechanik™ basiert auf dem Kipp-Prinzip und ist in allen Modellen des Herstellers in jedem Preissegment erhältlich.
Wechselnde Arbeitsplätze – die automatische Gewichtserkennung erspart notwendige Einstellungen
Mit dem Einsitzen des Mitarbeiters wird automatisch der Rückenlehnenanpressdruck eingestellt.
Der automatisch mit Gewichtserkennung sich einstellende Rückenanpressdruck ist eine Erleichterung für wechselnde Nutzer, z. B. bei desk-sharing bzw. in diesem Fall auch ein Muss, um falsch eingestellte Stühle zu vermeiden.
Abb. 5: Die nächste Sitzhaltung ist immer die Beste – in Balance sitzen
Die wichtigsten Kernaussagen der Firma HAG mit grundsätzlicher Gültigkeit für dynamische Sitzkonzepte bis heute sind:
- Immer perfekt in Balance – Gleichgewicht ist der beste Ausgangspunkt für Bewegung.
- Den ganzen Körper bewegen, ohne darüber nachzudenken.
- Die beste Sitzposition ist immer die nächste.
2.1.3 Biomechanisch richtig sitzen – das Becken in die Klemme nehmen
Was herauskommt, wenn ein Beratungsbüro für Biomechanik und Ergonomie am Arbeitsplatz keinen für ihre Ansprüche guten Bürostuhl findet und zum Hersteller wird, belegt die Firma bma ergonomics.
"Bewege Dich, wenn es Dir möglich ist und sitze richtig, wenn Du sitzt". Das Ergebnis vereint die biomechanischen Erkenntnisse über die aufrechte Körperhaltung (Sitzhaltung) mit einem Bewegungs- und Bedienkonzept. Bracing heißt übersetzt, das Becken in die Klemme nehmen. Es wird ein Abkippen des Beckens (Beckenstütze) vermieden und gleichzeitig wird durch den Gegenhalt der vorderen Stuhlkante das Herausrutschen verhindert. So ist ein dynamisch schwebendes in biomechanischer Balance gestütztes Sitzen möglich (Balance®Konzept).
Abb. 6: Bracing – das Becken in die Klemme nehmen – ISG Demomodell
Ein Bedien- und Vermittlungskonzept sowie eine Technologie, die das Sitzverhalten überwacht, unterstützen den Benutzer gezielt beim richtigen Sitzen.
2.1.4 Zusammenfassung
Tab. 1 fasst die wichtigsten Punkte des Kipp-Prinzips zusammen:
Kipp-Prinzip |
Wirkmechanismus |
Vorteile |
Nachteile |
Bemerkung |
Einsatzgebiet |