Zusammenfassung
In diesem Artikel soll es um die Bewertung der Ergonomie am Arbeitsplatz gehen. Dazu wird zunächst die steigende Nachfrage nach Analysemethoden erläutert. Grundlegende Begriffe und Definitionen leiten dann über zu einigen gängigen Werkzeugen. Im Anschluss sollen 3 Tools vorgestellt und im Hinblick auf Einsatzgebiet, Vorteile und Grenzen diskutiert werden. Das Werkzeug EAWS wird danach vertieft vorgestellt und an einem Beispiel erläutert. Abschließend werden die wichtigsten Erkenntnisse nochmals zusammengefasst und ein Ausblick auf Einflussfaktoren gegeben, die in der näheren Zukunft Einfluss auf die Bewertung der Ergonomie am Arbeitsplatz haben könnten.
1 Einleitung
Das Geschäftsumfeld für Unternehmen wird immer turbulenter. Globalisierung und Digitalisierung auf der einen Seite und die Wandlung hin zu einem Käufermarkt auf der anderen Seite haben deutlich kürzere Innovationszyklen, Produktdiversifikation und verringerte Losgrößen bis hin zur Individualfertigung gebracht. Das macht hochflexible Herstellungsmöglichkeiten bei möglichst geringen Durchlaufzeiten notwendig. Dafür müssen die entsprechenden Ressourcen verfügbar sein, einschließlich einer gesunden und leistungsfähigen Belegschaft.
Insbesondere im produzierenden Gewerbe sind die Belastungen durch die Arbeit trotz beständiger Optimierungen jedoch immer noch erheblich. Gerade an Montagearbeitsplätzen erfahren die Mitarbeiter durch eine hohe Standardisierung, zumeist kurze Arbeitstakte und hohe Wiederholfrequenzen teilweise enorme Beanspruchungen. Arbeitsbedingte Erkrankungen sind die Folge, speziell Muskel- und Skeletterkrankungen. Im Jahr 2015 waren sie nach Angaben des statistischen Bundesamtes die Ursache von 136 Mio. Arbeitsunfähigkeitstagen und damit die häufigste Ursache für krankheitsbedingte Fehlzeiten von Arbeitskräften, was zu einem Ausfall an Bruttowertschöpfung in Höhe von 26 Mrd. EUR führte.
Die demografische Entwicklung hat zu einem Anstieg des Durchschnittsalters der Gesamt- wie auch Arbeitsbevölkerung geführt. Mit zunehmendem Alter treten Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems wesentlich häufiger auf, was in einen weiteren Anstieg der Arbeitsunfähigkeitstage münden wird. Daher werden geringe Ausfallzeiten ein wesentliches Gestaltungsziel der operativen Planung, um konstante Produktionsleistungen zu gewährleisten. Gerade Branchen, in denen zumeist kurze Taktzeiten und hohe Auslastung, regelmäßige Wechselschichtarbeit und geringe Handlungsspielräume eine Belastungskompensation weitgehend behindern, benötigen daher Lösungsansätze, die diesen veränderten Ansprüchen begegnen.
Ein wesentlicher Ansatz ist die ergonomische, d. h. belastungsarme Arbeitsgestaltung, die sich nachweislich positiv auf die Gesundheit der Mitarbeiter, aber auch auf weitere Faktoren, wie Qualität und letztlich Wirtschaftlichkeit, auswirkt. Zwischen der Gestaltung der Produkte und deren späterer Herstellung liegen oftmals viele Monate, teilweise auch Jahre, wie in der Automobilindustrie. Belastungen, die sich aus dem Produktdesign ergeben, können in der späteren Produktionsentwicklung durch Gestaltung der Arbeitsmittel und-plätze oftmals nur bedingt ausgeglichen werden. Eine möglichst frühzeitige Einflussnahme im Entwicklungs- und Planungsprozess ist daher sinnvoll, denn dann kann mit noch vergleichsweise geringem Aufwand ein hoher Nutzen erzielt werden.
Um ergonomische Interessen schon in frühen Phasen und dann bis zur Serienproduktion durchgehend zu berücksichtigen, sind einerseits die zugehörigen Prozesse zu beschreiben, andererseits aber auch geeignete Analysemethoden zu entwickeln. Sowohl die Qualität der Ergonomiebewertungen kann damit gesteigert als auch der notwendige Aufwand dafür reduziert werden.
2 Grundlagen, Definitionen und Werkzeuge
Die Überprüfung der Erträglichkeit ist der Hauptanwendungsbereich der ergonomischen Bewertung menschlicher Arbeit. Hierfür wurden in Wissenschaft und Praxis vielfältige Methoden entwickelt, die sich sowohl hinsichtlich der überprüften Risikofaktoren als auch in Bezug auf den Anwenderkreis unterscheiden. Es wird zwischen 4 Grundtypen von Untersuchungsmethoden unterschieden:
- Beobachtung,
- Befragung,
- physiologische und
- physikalisch-chemische Messmethoden.
Weiterhin wird differenziert zwischen
- objektiven, d. h. von außen beurteilenden, und
- subjektiven, also selbsteinschätzenden, Verfahren.
Zentrale Klassifizierungsdimensionen der Methoden sind insbesondere die Beurteilungstiefe, die Genauigkeit sowie die Anzahl berücksichtigter Merkmale. Betrachtet man das gesamte zur Verfügung stehende Methodeninventar, ergibt sich eine 3-stufige Einteilung der Verfahren:
Orientierende Verfahren sollen bei möglichst geringem Aufwand ausreichend genaue Ergebnisse liefern, um rasch die Belastungen der zu untersuchenden Tätigkeit abschätzen zu können. Sie sollten keine umfangreichen Fachkenntnisse erfordern und für möglichst viele Arbeitsplätze ohne Einschränkungen anwendbar sein. Weiterhin sollen Ursachen erhöhter Belastungen erkennbar werden.
Quantitative Verfahren kommen bei komplexeren Arbeits...