1.1 Gefährdungssituationen
Beim Einsatz mobiler Arbeitsmittel, wie z. B. Fahrzeugen, Gabelstaplern, Hubwagen, Krane oder Hebezeugen, im öffentlichen Verkehrsraum, auf dem Betriebsgelände oder auf Baustellen sind Anfahren, Überfahren und Quetschen wesentliche Gefährdungen.
Es besteht ein erhöhtes Risiko, dass Personen verletzt oder gar getötet werden, wenn
- die Rundumsicht eingeschränkt ist (z. B. bei Erdbaumaschinen),
- die Sichtverhältnisse nicht ausreichen (z. B. bei Nebel, Dunkelheit),
- der Gefahrenbereich von Personen betreten werden kann bzw. muss (z. B. auf Baustellen, beim Abfallsammeln und -entsorgen),
- wenn örtliche Verhältnisse nicht ausreichend bekannt sind sowie
- insbesondere beim Rückwärtsfahren.
Daneben können Sachschäden entstehen.
Tödlicher Unfall beim Rückwärtsfahren
In einer Wertstoffhalle für Papier ereignete sich folgender Unfall:
Nach dem Wiegen setzte der Fahrer eines Müllsammelfahrzeugs zum Rückwärtsfahren an, um das Papier zum Entladeplatz zu bringen. Der Beifahrer blieb neben ihm sitzen, anstatt sich als Einweiser zu betätigen.
Der Fahrer überwachte den Raum hinter seinem Fahrzeug über einen Monitor am Armaturenbrett und die Rückspiegel. Zusätzlich waren die Rundumleuchte und ein Warnton in Betrieb. Während das Fahrzeug rückwärts fuhr, überquerte ein Mitarbeiter den Hof. Er trug dunkle Arbeitskleidung – eine Pflicht zum Tragen von Warnkleidung bestand im Unternehmen nicht.
Der Fahrzeugführer bemerkte den Mann auf dem Hof nicht und setzte die Rückwärtsfahrt ungebremst fort. Der Beschäftigte wurde von dem Müllsammelfahrzeug überrollt und starb an der Unfallstelle. Der Fahrer erlitt einen schweren Schock und ist seitdem nicht mehr arbeitsfähig.
Gefährdungen müssen ermittelt und geeignete Maßnahmen festgelegt und umgesetzt werden; dies gilt auch, wenn regelmäßig rückwärts gefahren werden muss.
Bei folgenden Tätigkeiten kann der Einsatz eines Einweisers erforderlich sein:
- Abfallsammlung und Anlieferung in Entsorgungsanlagen mit Sammelfahrzeugen (s. Unfallhergang beim Rückwärtsfahren),
- Anliefern und Abholen von Waren mit Lkws, Transportern u. Ä.,
- Einsatz von Lkws, Bau- und Erdbaumaschinen auf Baustellen,
- Feuerwehr- oder Rettungseinsatz auf unbekanntem Gelände,
- Einsatz von Gabelstaplern,
- Beförderung von Lasten mit einem Kran,
- Betreiben von hochziehbaren Personenaufnahmemitteln,
- Beförderung von Personen mit Flurförderzeugen.
1.2 Maßnahmen
Der Arbeitgeber muss dafür sorgen, "dass sich Beschäftigte nicht im Gefahrenbereich selbstfahrender Arbeitsmittel aufhalten. Ist die Anwesenheit aus betrieblichen Gründen unvermeidlich, hat der Arbeitgeber Maßnahmen zu treffen, um Gefährdungen der Beschäftigten so gering wie möglich zu halten" (Anhang 1 Nr. 1.6 BetrSichV).
U. a. ist zu prüfen, ob Rückwärtsfahren vermieden werden kann, z. B. durch Verlegen von Anfahrtstrecken, Entfernen von Pollern, Einrichten von leicht zugänglichen Behälterstandplätzen für Abfälle, Berücksichtigen von ausreichenden Rangier- und Wendeflächen bei der Planung von Wohn- und Gewerbegebieten oder beim Einrichten von Baustellen.
Mögliche technische Maßnahmen sind z. B. Fahrerassistenzsysteme wie Kamera-Monitor-Systeme (KMS) mit Rückfahr- und Seitenkamera, Ultraschall-, Radar-, Infrarot- oder Lasersysteme. Sie unterstützen u. a. beim Abstandhalten, Einparken oder Spurhalten. KMS und Sensorsysteme können auch kombiniert werden.
Prämie möglich
Die BG Bau belohnt Betriebe, die sich über die gesetzlichen Mindestvorschriften hinaus für den Arbeitsschutz engagieren. Es kann sich für Betriebe also lohnen, z. B. wegen eines Zuschusses für eine Rückfahrkamera für Baumaschinen oder Lkws anzufragen (www.bgbau.de).
Sind derartige technische Einrichtungen nicht vorhanden oder reichen sie nicht aus, um Sicherheit und Gesundheit Beschäftigter und ggf. Dritter zu gewährleisten, dann werden organisatorische Maßnahmen erforderlich, z. B.
- der Einsatz eines Einweisers,
- betriebliche Regeln festlegen, z. B. Höchstgeschwindigkeiten,
- Aufenthaltsverbote im Gefahrenbereich, z. B. beim Be- und Entladen von Lkws.
Zu den personenbezogenen Maßnahmen gehört u. a. das Tragen von Warnkleidung, die der Arbeitgeber zur Verfügung stellt.
Typische Gefährdungen und Maßnahmen auf Baustellen
Im Anhang der TRBS 2111 Teil 1 werden für einen Bagger (18 t), ein Betontransportfahrzeug, ein Zulieferfahrzeug, einen Radlader (18 t), einen Teleskopstapler sowie die Anlieferung von Asphalt mit einem Kippsattelzug
- die betrachtete Arbeitssituation,
- Gefahrenbereiche,
- mögliche Gefährdungen bzw. unfallbegünstigende Umstände dargestellt und
- die Eignung technischer, organisatorischer sowie personenbezogener Maßnahmen beurteilt.
Die ausgewählten Beispiele gelten auf Baustellen für das Rückwärtsfahren mit eingeschränkter Sicht. Beim Übertragen der dargestellen Lösungen müssen die tatsächlichen betrieblichen Gegebenheiten berücksichtigt werden.
Technik oder Mensch?
Technische Fahrerassistenzsysteme tragen zur Verbesserung der Sicherheit v. a. bei Rück...