Zusammenfassung
Mit der im Mai 2023 veröffentlichten EU-Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit 2023/988 steht im Bereich der Produktsicherheit eine große Änderung an. Die neue EU-Verordnung wird zum 13.12.2024 europaweit in Kraft treten und löst die EU-Richtlinie 2001/95/EG über die allgemeine Produktsicherheit ab. Für Unternehmen, die im Bereich der Produktsicherheit bisher unzureichend aufgestellt waren, bleibt nicht viel Zeit, die erforderlichen Strukturen aufzubauen und geeignetes Personal zu finden. Welche 10 wesentlichen Änderungen die neue Verordnung mit sich bringt, beschreibt der nachfolgende Beitrag.
1 Die verantwortliche Person (Art. 16 2023/988/EU)
In Vorbereitung auf die Verordnung hatte der Rat der EU im Juli 2022 in einer Pressemitteilung bereits die Verpflichtung einer Zentralen Kontaktstelle für Produktsicherheit gefordert. Insbesondere bei Online-Handelsunternehmen soll eine verantwortliche Person benannt werden. So überrascht es nicht, dass Art. 16 2023/988/EU genau dies fordert: "Für ein auf dem Unionsmarkt bereitgestelltes Produkt verantwortliche Person". In der Automobilindustrie und der Medizinprodukt-Branche wird die verantwortliche Person bereits seit Langem gefordert. Doch im Gegensatz zum Automotive-Produktsicherheitsbeauftragten, welcher in der Lieferkette namentlich genannt wird, handelt es sich in Art. 16 2023/988/EU um eine juristische Person. Konkret angesprochen und genannt wird in der EU-Verordnung 2023/988 der "Wirtschaftsakteur". Das bedeutet, alle Wirtschaftsakteure werden berücksichtigt. Dazu zählen: Hersteller, Einführer/Importeure, Bevollmächtigte, Händler und Fulfillment-Dienstleister.
In jeder Stufe der Lieferkette hat der entsprechende Wirtschaftsakteur eine festgelegte Verantwortung, die sich im Umfang von Stufe zu Stufe unterscheiden kann. Sinn und Zweck dieser umfassenden Produktverantwortung ist, dass es einen greifbaren juristisch Verantwortlichen gibt, der für die Sicherheit des Produktes geradesteht. Zudem soll durch die übergreifende Staffelung der Pflichten verhindert werden, dass nicht rechtskonforme Produkte auf dem Markt bereitgestellt werden.
2 Neue Beurteilungskriterien für ein sicheres Produkt
Produkte dürfen nur dann von Wirtschaftsakteuren auf dem europäischen Markt bereitgestellt werden, wenn sie sicher sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Aspekte für das "sichere Produkt" durch die EU-Produktsicherheitsverordnung ausgeweitet und verschärft wurden. Relevant sind dabei zukünftig auch mögliche Wechselwirkungen mit anderen Produkten. Dazu zählen:
- Cybersicherheitsmerkmale,
- sich ändernde oder entwickelnde Funktionen eines Produktes, also selbstlernende KI-ähnliche Aspekte,
- die Auswirkungen geschlechtsspezifischer Unterschiede,
- die mögliche Attraktivität eines Produktes für Kinder.
3 Risikoanalyse und technische Dokumentation auch für nicht harmonisierte Produkte
Die Pflicht zur Risikoanalyse und Dokumentation besteht schon lange, wurde aber überwiegend im Bereich der unter die CE-Kennzeichnung fallenden Produkte gehandhabt. Für Produkte aus dem "nicht harmonisierten Bereich" wird die Analyse und Dokumentation mit der neuen EU-Verordnung zur Verpflichtung. Das bedeutet, jedes Produkt, auch einfache Möbel oder Handwerkzeuge müssen jetzt vom Hersteller einer Risikoanalyse unterzogen werden. Zudem ist es erforderlich, eine technische Dokumentation für die entsprechenden Produkte zusammenzustellen. Diese Dokumentation muss stets aktuell sein und für 10 Jahre aufbewahrt werden, damit sie den Behörden auf Anforderung zur Verfügung gestellt werden kann.
Neben dem Hersteller hat auch der Einführer/Importeur die Einhaltung dieser Anforderungen zu gewährleisten.
Abb. 1: Produktrisikobewertung
4 EU-Verkehrsfähigkeit nur mit niedergelassenem Wirtschaftsakteur
Um zukünftig Produkte in der EU in Verkehr zu bringen, wird ein in der EU niedergelassener Wirtschaftsakteur benötigt. Ohne diese verantwortliche Person ist das Inverkehrbringen innerhalb der EU verboten. Für harmonisierte Produkte ist das nicht neu und wurde bereits durch die EU-Marktüberwachungsverordnung 2019/1020 flächendeckend eingeführt. Für alle nicht harmonisierten Produkte ist die Anforderung neu und muss zwingend umgesetzt werden.
5 Implementierung von Product-Compliance-Prozessen (Art. 14 2023/988/EU)
Die Wirtschaftsakteure müssen gemäß Art. 14 2023/988/EU sicherstellen, dass sie über interne Verfahren verfügen, um die jeweils für sie geltenden Anforderungen der EU-Produktsicherheitsverordnung einzuhalten. Hersteller müssen daher mithilfe von Maßnahmen sicherstellen, dass Serienprodukte immer entsprechend den Sicherheitsanforderungen der EU-Produktsicherheitsverordnung hergestellt werden.
Es wird darauf hinauslaufen, ein Qualitätsmanagementsystem, wie z. B. die ISO 9001 zu etablieren.
Durch diese neue Regelung und die Verpflichtung, konkrete Abläufe zu etablieren, haben die Marktaufsichtsbehörden die Möglichkeit, unabhängig vom Einzelprodukt, Überprüfungen in Unternehmen durchzuführen.
6 Kommunikationskanäle für Verbraucherbeschwerden und internes Beschwerderegister
Eine Beschwerdestelle wird beim Hersteller mit der neuen Verordnung zur Pflicht. Diese Stelle muss für den Konsumenten leicht erreichbar sein, entweder per Telefon, per E-Mail oder über eine Webseite. Zudem müssen die Hersteller auch über alle im Zusammenhang mit einem Produkt ...