2.1 Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte
Definition
Durch einen "Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte" kann auch ein Dritter, der nicht unmittelbar Vertragspartner ist, von der Schutzwirkung vertraglicher Pflichten profitieren und eigene Ansprüche aus diesem Vertrag ableiten. Diese Ausweitung der vertraglichen Haftung zugunsten eines Dritten stellt eine Ausnahme des Grundsatzes der lediglich relativ wirkenden Schuldverhältnisse dar.
Vorliegend profitiert der verletzte Arbeitnehmer von einem Vertrag, den sein Arbeitgeber und die Fachkraft vereinbart haben.
Bei dem Vertrag über die arbeitssicherheitstechnische Betreuung zwischen der Fachkraft und dem Arbeitgeber handelt es sich – so das OLG Nürnberg – um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der im Betrieb des Arbeitgebers tätigen Beschäftigten. Der Geschädigte war deshalb in der Weise in die dem Beklagten obliegenden Sorgfalts- und Obhutspflicht einbezogen, dass der Geschädigte aus deren Verletzung eigene Schadensersatzansprüche gegen die Fachkraft herleiten kann.
Die von der Rechtsprechung zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter entwickelten Voraussetzungen waren sämtlich erfüllt:
- Das Merkmal der Leistungsnähe lag vor.
- Der Geschädigte kam als Beschäftigter des Arbeitgebers mit den von der Fachkraft auf ihre Arbeitssicherheit zu überprüfenden Maschinen im Betrieb des Arbeitgebers unmittelbar in Kontakt.
- Die arbeitssicherheitstechnische Betreuung der Betriebsangehörigen gehörte gemäß § 1 des Vertrages zu den von der Fachkraft übernommenen Aufgaben, sodass deren Vertragspflichten auch drittbezogen waren.
- Der Arbeitgeber als Vertragspartner schuldete aufgrund des Arbeitsvertrages mit dem Geschädigten diesem auch Schutz und Fürsorge und hatte deshalb ein eigenes Interesse daran, seine Beschäftigten in den Schutzbereich des Vertrages einzubeziehen.
- Die Drittbezogenheit seiner sicherheitstechnischen Aufgaben, die Leistungsnähe der Beschäftigten und das Einbeziehungsinteresse des Arbeitgebers lagen für die Fachkraft offen zutage und ergaben sich zudem aus dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarung.
- Der Geschädigte war auch schutzbedürftig, da ihm aufgrund der Haftungsprivilegierung des § 104 Abs. 1 SGB VII kein gleichgerichteter vertraglicher Anspruch desselben Inhalts gegenüber dem Arbeitgeber oder einem Dritten zustand.
Das OLG Nürnberg beruft sich diesbezüglich auf eine ältere Entscheidung des OLG Karlsruhe (Beschluss vom 11.12.2006 – 7 U 170/06), das die vertragliche Haftung eines externen Sicherheitsbeauftragten i. S. v. § 6 ASiG nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte bejaht hatte, soweit die übernommenen Vertragspflichten auch den Schutz der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit im Betrieb des Arbeitgebers bezwecken.
2.2 Keine Haftungsfreistellung des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber konnte seine Verantwortung für die Sicherheit seiner Beschäftigten auch nicht mit haftungsbefreiender Wirkung auf die Fachkraft für Arbeitssicherheit übertragen. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 5 ArbSchG steht die Verantwortung der externen Fachkraft für Arbeitssicherheit neben der Verantwortung des Arbeitgebers, d. h., sowohl dem Arbeitgeber als auch der Fachkraft für Arbeitssicherheit obliegt im Rahmen ihrer jeweiligen Aufgaben und Befugnisse die arbeitssicherheitsrechtliche Verantwortung.
Eine für den Arbeitgeber schuldbefreiende Übertragung der Sicherheitsverantwortung auf die externe Fachkraft für Arbeitssicherheit kann nicht erfolgen, da die Vorschrift des § 6 BGV A6 (die auch zum Inhalt des hier abgeschlossenen Vertrages gemacht worden ist) ausdrücklich die den Arbeitgeber lediglich unterstützende und beratende Funktion der Fachkraft für Arbeitssicherheit hervorhebt. Aufgaben oder Befugnisse zur eigenverantwortlichen Behebung sicherheitstechnischer Defizite oder gar ein Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitgeber oder seinen Beschäftigten sind § 6 BGV A6 oder dem konkreten Vertrag nicht zu entnehmen. Ohne die Haftungsprivilegierung des § 104 Abs. 1 SGB VII muss deshalb auch der Arbeitgeber des Geschädigten für den Arbeitsunfall und seine Folgen einstehen.
2.3 Keine Haftungsprivilegien der Fachkraft
Der Fachkraft kommen die Haftungsprivilegien der §§ 104 ff. SGB VII nicht zugute. Eine Beschränkung der Haftung nach § 105 Abs. 1 SGB VII scheitert bereits daran, dass es sich bei der Tätigkeit der Fachkraft nicht um eine betriebliche Tätigkeit eines Versicherten desselben Betriebs im Sinne der genannten Vorschrift handelt, sondern um die selbstständige, entgeltliche Tätigkeit einer nicht in die Betriebsorganisation eingebundenen externen Fachkraft. Verursacht ein externer Unternehmer oder ein für ein anderes Unternehmen tätiger Beschäftigter wie hier einen Arbeitsunfall auf einer Betriebsstätte, so kommen der externen Kraft gemäß § 106 Abs. 3 SGB VII die Haftungsbeschränkungen der §§ 104, 105 SGB VII nur dann zugute, wenn es sich um eine "gemeinsame Betriebsstätte" handelt. Ein derartiger Fall lag hier jedoch nicht vor: Es gab kein zeitliches und örtliches Nebeneinander der Tätigkeiten des Geschädigten und der Fachkraft in der maßgeblichen konkreten Unfallsituation.
Das Gericht t...