Zusammenfassung
Gewalt am Arbeitsplatz ist zum Begleiter der "modernen Arbeitswelt" geworden. Bei vielen Arbeitstätigkeiten werden die Mitarbeiter mit verbalen oder gar tätlichen Übergriffen von Kunden, Besuchern, Patienten oder Bürgern konfrontiert. Aber auch Kollegen und Vorgesetzte können physische oder psychische Gewalt ausüben. Dieser Beitrag beschreibt die Formen möglicher Gewalt am Arbeitsplatz, wer davon besonders betroffen ist, welche Risikofaktoren es gibt, Opfer von Gewalt zu werden, die Ursachen und Folgen von vermehrter Gewaltausübung im Rahmen der Arbeitstätigkeit und welche Maßnahmen im baulich-technischen und arbeitsorganisatorischen Bereich sowie auf personeller Ebene ergriffen werden können, um Gewaltausbrüche zu verringern und Opfern von Gewalt Unterstützung zu geben.
1 Was heißt Gewalt bei der Arbeit?
Allgemein bedeutet Gewalt die Anwendung von physischem oder psychischem Zwang gegenüber einem anderen, um etwas durchzusetzen, dem anderen den eigenen Willen aufzuzwingen oder ihn etwas machen zu lassen, was er oder sie nicht will. Genau das findet immer öfter in Behörden und öffentlichen Verwaltungen, in Job- und Call-Centern, aber auch in Abteilungen von Betrieben der freien Wirtschaft statt. Die Aggression geht dabei meist vom Kunden aus. Mitunter auch von Kollegen und Vorgesetzten.
2 Formen der Gewalt
Hört man Gewalt, denkt man in erster Linie an körperliche Gewalt. Diese äußert sich in tätlichen Angriffen, Schlägen, körperlichen Misshandlungen, Bedrohungen mit Waffen oder sexuellen Übergriffen. Das Werfen mit Gegenständen und Randalieren gehört ebenso dazu wie Gewaltszenarien, die das Einschreiten der Polizei erforderlich machen.
Neben dieser physischen Gewalt kann Gewalt auch psychisch ausgeübt werden. Psychische Gewalt wird Mitarbeitern dann angetan, wenn sie beleidigt, beschimpft, angeschrieen, bedroht, angepöbelt oder unhöflich behandelt werden. Neben diesen verbalen Übergriffen sind Telefonterror, Mobbing, Stalking, Ausgrenzungen und Diskriminierungen weitere Formen ausgeübter psychischer Gewalt. Die Folgen psychischer Gewalt sind nicht immer so ersichtlich wie bei körperlicher Gewalt, haben aber oft weitreichendere Folgen für die Opfer, denn seelische Verletzungen heilen langsamer als körperliche Wunden.
Was allen Formen von Gewaltausübungen gemeinsam ist, beschreibt die International Labour Organization (ILO): Unter Gewalt versteht man "jede Handlung, jeden Vorfall und jedes unangemessene Verhalten, bei dem eine Person während oder im unmittelbaren Zusammenhang mit ihrer Arbeit tätlich angegriffen, bedroht, geschädigt oder verletzt wird."
3 Relevanz
Die Ausübung von physischer oder psychischer Gewalt ist nicht nur für die davon betroffenen Mitarbeiter eine schmerzliche Erfahrung mit zum Teil traumatisierenden Folgen, sondern inzwischen auch für die Personalverantwortlichen und die Akteure im Arbeits- und Gesundheitsschutz ein ernst zu nehmendes Thema geworden.
Eine EU-weite Erhebung im Jahr 2000 ergab, dass damals 4 % der arbeitenden Bevölkerung Opfer von Übergriffen Dritter war. Es ist zu vermuten, dass der Anteil inzwischen wesentlich höher liegt, außerdem ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, da nicht jeder Vorfall angezeigt wird. In absoluten Zahlen heißt das: Jeder Zehnte ist körperlicher oder psychischer Gewalt ausgesetzt – Tendenz steigend. Besonders in den Bereichen der öffentlichen Hand nehmen die meldepflichtigen Arbeitsunfälle mit "aggressiven Handlungen" als Unfallursache zu, zum Teil im 2-stelligen Bereich.
4 Wer übt Gewalt aus?
Gewalt kann von Betriebsfremden (= Gewalt von außen) oder von Betriebsangehörigen (= Gewalt von innen) ausgehen. Externe Gewalt wird von Kunden, Besuchern, Patienten, Bürgern (im Folgenden kurz "Kunde" genannt) ausgeübt, interne Gewalt wird durch Kollegen, Mitarbeiter und Vorgesetzte initiiert.
5 Wer ist davon betroffen?
Potenziell kann Gewalt am Arbeitsplatz jeden Beschäftigten treffen. Es gibt jedoch Berufsgruppen, die sich besonders häufig in den Statistiken wiederfinden. Längst sind das nicht mehr nur Polizisten, Politessen, Rettungskräfte oder Sicherheitsdienste. Von externer Gewalt sind vor allem Mitarbeiter im Dienstleistungssektor betroffen, die im unmittelbaren (face to face) oder telefonischen Kontakt (voice to voice) mit "Kunden" stehen.
Die EU-weit am meisten gefährdeten Branchen sind das Gesundheitswesen und der Einzelhandel, gefolgt vom Verkehrs-, Finanz- und Bildungssektor. In Berufe übersetzt heißt das: Krankenschwestern und -pfleger, Ärzte, Sozialarbeiter, Verkäufer, Kassiererinnen, Taxi- und Busfahrer, Zugbegleiter, Flughafenpersonal, Kuriere und Lehrer. Im direkten Kundenkontakt stehen auch Mitarbeiter in Banken und Postämtern, in...