Dr. rer. nat. Ulrich Welzbacher
Die Umsetzung von GHS betrifft nicht nur die Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien, sondern hat auch Rückwirkungen auf zahlreiche andere Rechtsvorschriften, z. B. im Arbeitsschutz, Immissionsschutz oder im Wasserrecht. Grund: Diese Regelungen greifen häufig auf die Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen aus den früheren EG-Richtlinien zurück – sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene.
Änderungen durch GHS in anderen Rechtsvorschriften
- Die Gefahrstoffverordnung bezog sich bei der Auswahl der Schutzmaßnahmen auf die früheren Gefährlichkeitsmerkmale der EG-Stoffrichtlinie 67/548/EWG.
- Viele Technische Regeln verwendeten als Kriterien für Maßnahmen die früheren Gefährlichkeitsmerkmale, z. B. die frühere TRGS 514 (die Nachfolgeregelung TRGS 510 "Lagerung von Gefahrstoffen in ortsbeweglichen Behältern" bezog sich parallel noch für einige Jahre auf beide Kennzeichnungssysteme).
- Die Chemikalien-Verbotsverordnung verwendete als Kriterium für Kontroll- und Dokumentationspflichten die früheren Gefährlichkeitsmerkmale.
- Das Jugendarbeitsschutzgesetz und die Mutterschutzarbeitsverordnung knüpften Beschäftigungsbeschränkungen an die früher geltenden Gefährlichkeitsmerkmale des Chemikalienrechts.
- Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) knüpfte Maßnahmen, wie etwa Auflagen für technische Anlagen, an die Zuordnung der verwendeten Chemikalien zu Wassergefährdungsklassen (WGK), die in der Verwaltungsvorschrift wassergefährdende Stoffe (VwVwS) ihrerseits wieder an die Gefährlichkeitsmerkmale und die zugeordneten R-Sätze aus dem früheren Chemikalienrecht geknüpft waren.
- Die Störfall-Verordnung (12. BImSchV) verwendete die Gefährlichkeitsmerkmale aus dem Chemikaliengesetz als Kriterium für zahlreiche Anforderungen, z. B. für die Mengenschwellen in der Stoffliste nach Anhang I.
- Die Zuordnung von Stoffen zu Emissionsklassen in der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) erfolgte noch bis 2021 auf der Grundlage der Einstufung nach dem früheren Chemikalienrecht.
- Verbote im Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) orientierten sich an den Einstufungen im früheren Chemikalienrecht.
Die Anpassung der vorstehend genannten deutschen Regelungen ist inzwischen erfolgt – zuletzt durch die Neufassung der TA Luft 2021.
Zahlreiche dieser (deutschen) Rechtsvorschriften basierten ihrerseits auf früheren EG-Richtlinien, die Störfall-Verordnung (12. BImSchV) z. B. auf der Seveso-II-Richtlinie der EG (96/82/EG). Folglich hatte die CLP-Verordnung auch in anderen Mitgliedstaaten der Union Rückwirkungen auf die dort geltenden nationalen Rechtsvorschriften.
Auch die europäische Union hat daher inzwischen ihre eigenen Rechtsvorschriften auf Bezüge zum Chemikalienrecht "durchforstet", um die entsprechenden Anpassungen in die Wege zu leiten; in einigen Fällen wurden auch die zugrunde liegenden Regelungen vollständig neu gefasst. Bei der Seveso-Richtlinie zeigte sich erwartungsgemäß, dass eine einfache Übertragung der früheren Gefährlichkeitsmerkmale auf die neuen Gefahrenklassen und -kategorien nicht möglich war, weil sich die Kriterien z. B. für ätzende oder reizende Stoffe sowie für gesundheitsschädliche und giftige Stoffe von den jetzigen Kriterien für diese Eigenschaften unterscheiden.
Seveso-III-Richtlinie
Für die Seveso-Richtlinie gilt eine Neufassung (Richtlinie 2012/18/EU vom 4.7.2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen ["Seveso-III"]), deren Anforderungen aber nicht exakt identisch mit den früheren Regelungen sind: Die Seveso-III-Richtlinie enthält eine leichte Verschärfung der Anforderungen und damit eine Erhaltung bzw. leichte Erhöhung des früheren Schutzniveaus.
Die Ankündigung der Kommission, dass mit der Umsetzung von GHS keine Abstriche am bisher erreichten Schutzniveau für Verbraucher, Arbeitnehmer und die Umwelt in der Gemeinschaft, aber auch keine Verschärfung der Vorschriften für die Industrie verbunden sein sollten, war in der Praxis also nur äußerst schwierig zu erfüllen.