Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Zusammenfassung
Heimarbeit i. S. des Heimarbeitsgesetzes ist ein Sonderfall einer selbstständigen Tätigkeit von Personen, die nicht in einem Angestelltenverhältnis zum Betrieb stehen und in dessen Strukturen nicht eingebunden sind, aber wirtschaftlich von diesem vollständig abhängig sind. Durch den Rückgang der dafür typischen Industrie- und Gewerbezweige hat diese Form der Beschäftigung nur noch eine geringe Randbedeutung. Zwar könnten grundsätzlich auch moderne digital basierte Arbeitformen nach dem Heimarbeitsgesetz organisiert werden, Arbeitgeber und Arbeitnehmer ziehen jedoch andere Organisationsmodelle den historisch gewachsenen und weitgehend überholten Strukturen des HAG vor.
Nach dem Heimarbeitsgesetz (HAG) "ist ein Heimarbeiter ..., wer in selbstgewählter Arbeitsstätte (eigener Wohnung oder selbstgewählter Betriebsstätte) allein oder mit seinen Familienangehörigen ... im Auftrag von Gewerbetreibenden ... erwerbsmäßig arbeitet, jedoch die Verwertung der Arbeitsergebnisse dem unmittelbar oder mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden überlässt." Wesentlich ist dabei der Gedanke, dass der Heimarbeiter zwar nicht angestellt beschäftigt ist und damit auch nicht der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegt. Allerdings ist er wie ein "normaler" angestellt Beschäftigter auch abhängig von (i. d. R. auch nur) einem Gewerbetreibenden tätig. Das grenzt ihn von selbstständig Tätigen ab, die ihre Arbeitsleistung eigenständig und frei an unterschiedliche Auftraggeber bzw. Kunden vermarkten, und macht bestimmte Schutzmechanismen erforderlich, die im HAG ausgeführt sind.
Diese klassische Form der Heimarbeit ist aber nur in wenigen Randbereichen des Arbeitslebens noch von Bedeutung. Für moderne Formen des Arbeitens zu Hause etablieren sich zunehmend andere Beschäftigungsformen, die nicht dem HAG unterliegen, vor allem die Telearbeit angestellt Beschäftigter und das sog. Crowd working, die Erledigung bezahlter Kleinaufträge über Internetplattformen, das sich zur Zeit noch kaum geregelt im Rahmen der Selbstständigkeit abspielt.
1 Handarbeitsorientierte Heimarbeit
Die handarbeitsorientierte Heimarbeit war eine historisch gewachsene Erscheinung der frühen Industrialisierung, als der Bedarf an Waren und Zuliefererzeugnissen von den noch jungen Industrie- und Gewerbebranchen nicht in eigenen Strukturen komplett abgedeckt werden konnte. Zudem konnten die Arbeiter gerade in ländlichen Bereichen die jeweiligen Betriebe nicht täglich erreichen oder standen nur saisonal zur Verfügung.
In einem völlig gewandelten Arbeitsmarkt, in dem handarbeitsorientierte Massenproduktion weitgehend in Länder mit niedrigerem Lohnniveau ausgelagert wurde und qualitätsbezogene und logistische Anforderungen gestiegen sind, werden solche klassischen handwerklichen Heimarbeiten nur noch sehr selten vergeben, z. B. von hoch spezialisierten Nischenbetrieben z. B. aus der Feinmechanik oder dem Kunsthandwerk, dann aber meist innerhalb des eigenen Belegschaftsumfelds (z. B. an Rentner oder Firmenangehörige in der Familienphase).
Heimarbeitsgesetz – ein (fast) ausgelaufenes Modell
Das Heimarbeitsgesetz (HAG) hatte Mitte des letzten Jahrhunderts eine zentrale Bedeutung darin, ausbeuterische und gesundheitsschädigende Arbeitsbedingungen für Heimarbeiter und deren Familien in bestimmten handarbeitsintensiven Industrie- und Gewerbezweigen zu unterbinden. Um die Rechte der in Heimarbeit Beschäftigten zu schützen, legte das Heimarbeitsgesetz neben Meldepflichten, Arbeitszeit- und Arbeitsschutz- sowie Kündigungsschutzbestimmungen v. a. Entgeltregelungen fest. Dazu gehörte auch eine bestimmte Organisationsstruktur, die Heimarbeitsausschüsse, die branchenspezifisch gebildet und paritätisch mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetzt wurden. Sie legten unter Aufsicht der zuständigen Länderbehörden (Gewerbeaufsicht, Bezirksregierung usw.) Tarifregelungen fest und stellten die Umsetzung des Heimarbeitsgesetzes sicher.
2 Digitale Heimarbeit?
Da in nahezu allen Branchen der Anteil von kommunikations- und informationsbezogenen Tätigkeiten zugenommen hat, bietet es sich im Verbund mit leistungsfähigen Telekommunikationsstrukturen an, dass Arbeitnehmer auch von zu Hause oder einem anderen selbstgewählten Ort aus für ihren Arbeitgeber tätig werden können. Grundsätzlich könnten sie damit unter das HAG fallen. Tatsächlich ist das jedoch meistens nicht der Fall, auch wenn im Zusammenhang mit mobilem digitalen Arbeiten der Begriff "Heimarbeit" häufig verwendet wird. Folgende Arbeitssituationen sind typisch:
Ein angestellt Beschäftigter erledigt einen Teil seiner Arbeit nicht im Betrieb, sondern nach Absprache mit seinem Arbeitgeber von zu Hause aus. Die Gründe können vielfältig sein:
- die Vermeidung von Fahrzeiten,
- die Möglichkeit zu ungestörter Arbeit an einem bestimmten Projekt,
- die sinnvolle Nutzung von "Restarbeitszeiten" nach Außendienstterminen,
- die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
- u. v. m.
Stattet der Arbeitgeber dazu den häuslichen Arbeitsplatz komplett aus und schließt eine vertragliche ...