Dipl.-Biol. Bettina Huck, Dipl.-Chem. Michael Rocker
Zusammenfassung
Kühlschmierstoffe (KSS) sind flüssige Medien, die zur spanenden Bearbeitung und zur Umformung (vor allem von Metallen) verwendet werden. Diese Definition der Norm DIN 51385 beschreibt in keiner Weise den Umfang der Verwendung und die daraus resultierenden Probleme. In Deutschland wurden 2015 über 28.000 Tonnen nichtwassermischbare KSS und ca. 21.000 Tonnen wassermischbare KSS verwendet. Diesem wirtschaftlichen Faktor steht eine sehr hohe Zahl vor allem von Hauterkrankungen gegenüber: Etwa 45 % aller Hauterkrankungen in metallverarbeitenden Betrieben resultieren aus den Arbeitsbedingungen in der mechanischen Fertigung. Daraus resultieren Kosten für die Unfallversicherungsträger (für Prävention und Leistungen) von ca. 30 Mio. EUR und für die Betriebe (für Produktionsausfall und Lohnfortzahlung) von ca. 40 Mio. EUR.
Dieser Beitrag beschreibt, wie bei Anwendung gut beschriebener, von Praktikern erstellten Regeln und Informationen wirtschaftlich und effektiv produziert werden kann und gleichzeitig die Anforderungen des Gesundheitsschutzes für Tätigkeiten mit Kühlschmierstoffen erfüllt werden. Sie erhalten einen Einblick in die Zusammenhänge zwischen Anforderungen an KSS und Inhaltsstoffe von KSS, Gefährdungen und deren Ermittlung und Beurteilung, Schutzmaßnahmen und deren wirksame Umsetzung. Vor allem zeigt sich, dass durch die gleichen Maßnahmen ein technisch einwandfreier KSS sowie eine Minimierung der Gefährdung am Arbeitsplatz erreicht werden kann.
1 Einführung
Was definiert den Stand der Technik? Die Definition der Gefahrstoffverordnung: "Der Stand der Technik ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherheit der Beschäftigten gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen, die mit Erfolg in der Praxis erprobt worden sind" beschreibt nur den Bezug zum Arbeitsschutz, der eingefordert werden kann.
Aber die Festlegung des Standes der Technik bei einem so komplexen "flüssigen Werkzeug" wie einem Kühlschmierstoff beginnt viel früher: im Pflichtenheft des Kunden. Hier werden Anforderungen festgelegt, ohne deren Erfüllung der KSS nicht zum Einsatz kommen kann. In Abschn. 2 werden diese Anforderungen beschrieben.
Der erste Anwendungsversuch beim "Kunden" legt dann weitere Rahmenbedingungen fest, die sich zum Teil stetig ändern. Erst in der Anwendung zeigt sich, ob bei der Rezeptierung eingestellte Eigenschaften auch den Anforderungen des Gesundheitsschutzes, z. B. Emissionsverhalten und Hautverträglichkeit, gerecht werden. Unter Umständen müssen Rezepturen wieder geändert werden ("Substitution"), oder zusätzliche technische, organisatorische und/oder persönliche Schutzmaßnahmen geplant und umgesetzt werden.
Vor allem wassergemischte KSS ändern durch Ein- und Austräge, chemische und biologische Prozesse ihre Zusammensetzung während ihres Einsatzes. Sollwerte müssen festgelegt, überwacht und eingehalten werden – sie sind die Basis für das Funktionieren des KSS i. S. des Pflichtenheftes. In den meisten Fällen müssen regelmäßig oder kontinuierlich unterschiedliche Zusätze (Additive, auch Biozide) zugegeben werden. Auch diese Stoffe sind mit zu beachten, wenn es um die Gefährdungsbeurteilung geht.
Gerade der von breiten Teilen der Unternehmerschaft eingeforderte und durch die Gefahrstoffverordnung gewährleistete Freiraum in der Selbstbestimmung bei der Auswahl von Schutzmaßnahmen führt in vielen Fällen dazu, dass die Betriebsverantwortlichen nicht mehr "durchblicken". Die Freiräume in der Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen können nur selten genutzt werden, weil es vielen schwer fällt, für die Arbeitsplätze in ihrem Betrieb zu dem Befund zu kommen "das ist so in Ordnung" oder "hier bestehen noch Gefährdungen, da müssen wir noch nachbessern". Es werden fachkundige Berater benötigt, und da Externe eine finanzielle Zusatzbelastung sind, wird der Weiterbildung betriebsinterner Spezialisten zunehmend mehr Bedeutung beigemessen.
2 Anforderungen an Kühlschmierstoffe
Die Grundanforderungen an die Zusammensetzung eines KSS werden primär von technischen Notwendigkeiten bestimmt (vgl. Abb. 1), erst beim Auftreten von Beschwerden oder Erkrankungen von Belangen des Gesundheitsschutzes – das ist die Realität. Deshalb wird bei der Beschreibung der Art von Inhaltsstoffen deren technische Funktion in den Vordergrund gestellt und bei bekannten Problemen hinsichtlich gesundheitlicher Probleme diese in der jeweiligen Gruppierung beschrieben.
Abb. 1: Funktionen von KSS-Inhaltsstoffen (Quelle: BGHM)
2.1 Primäranforderungen
Von Primäranforderungen wird dann gesprochen, wenn diese Anforderungen an alle KSS gestellt werden – zumindest war das viele Jahrzehnte so. Inzwischen existiert mit der Minimalmengenschmierung und speziell dafür hergestellten Produkten ein Beispiel, bei dem Kühlung und Spänetransport nicht m...