Entscheidungsstichwort (Thema)
Personenbedingte Kündigung eines alkoholkranken Hofarbeiters in Entsorgungsfachbetrieb bei betrieblicher Beeinträchtigung durch Selbst- und Fremdgefährdung
Leitsatz (amtlich)
Erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen liegen bei einer fristgemäßen personenbedingten Kündigung eines alkoholerkrankten Arbeitnehmers vor, wenn dieser eine Arbeitsaufgabe in einem Arbeitsumfeld verrichtet, die mit Selbst- und Fremdgefährdungen von Personen und Sachen einhergeht.
Normenkette
KSchG § 1; BGB § 241 Abs. 2, § 823 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 1; BGB § 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Augsburg (Entscheidung vom 19.09.2011; Aktenzeichen 3 Ca 940/11) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 19.09.2011 - 3 Ca 940/11 - abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der am 0.0.1956 geborene und verheiratete Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.03.1999 beschäftigt, zuletzt als Hofarbeiter mit einer monatlichen Vergütung in Höhe von 0,00 € brutto. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Entsorgungsfachbetrieb, der maschinell verschiedene Abfallarten sortiert, reinigt, aufbereitet und entsorgt. Für die Bearbeitung des mit Lkw angelieferten Abfalls werden Gabelstapler, Bagger, Lader und sonstige Fahrzeuge eingesetzt. Bagger, die für die Aufbereitung des bis zu 25 Tonnen schweren Abbruchschrotts eingesetzt werden, wiegen bis zu 35 Tonnen und haben eine Ausgreifweite bis 20 Meter. Den ca. sechs bis sieben Hofarbeitern obliegt die Sortierung, Reinigung und Aufbereitung der Abfälle; daneben beschäftigt die Beklagte Lkw-Fahrer und Verwaltungskräfte. Aus Sicherheitsgründen besteht seit einigen Jahren ein striktes Alkoholverbot, über das der Kläger am 19.06.2009 schriftlich belehrt worden ist. In früheren Jahren wurden alkoholhaltige Getränke in den Sozialräumen zur Verfügung gestellt.
Aufgrund einer Anweisung der Geschäftsführung im Jahr 2009 gilt auf dem Firmengelände die Straßenverkehrsordnung und sämtliche Hofarbeiter, zu deren Aufgaben das Führen und Fahren der vorstehend genannten Fahrzeuge gehört, müssen im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis sein, die sie mindestens zum Führen eines Pkw befähigt.
Am 14.01.2010 wurde der Kläger stark alkoholisiert im Dienst angetroffen und sodann wegen fehlender Arbeitsfähigkeit nach Hause geschickt. Wegen weiterer Vorkommnisse sprach die Beklagte am 21.01.2010 und 25.02.2010 verhaltensbedingte Kündigungen gegenüber dem Kläger aus. In dem hiergegen vor dem Arbeitsgericht Augsburg angestrengten Kündigungsschutzverfahren zum Gz. 9 Ca 232/10 trug der Kläger vor, er sei alkoholkrank, weswegen ihm nicht ohne weiteres verhaltensbedingt gekündigt werden könne.
Daraufhin nahm die Beklagte die Kündigungen mit Schreiben vom 14.04.2010 zurück und mahnte den Kläger unter anderem wegen Verstoßes gegen das betriebliche Alkoholverbot ab. Am 18.05.2010 begann der Kläger mit einer Entziehungskur wegen Alkoholabhängigkeit, die er am 05.07.2010 abbrach. In der Zeit vom 14.07.2010 bis 20.09.2010 führte die Beklagte freiwillige Alkoholtests beim Kläger mit Hilfe eines Atemmessgeräts durch. Am 31.08.2010 wies der Test einen Alkoholgehalt von 1,81 Promille aus, woraufhin die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 31.08.2010 eine Abmahnung wegen alkoholisierten Erscheinens am Arbeitsplatz aussprach. Weitere Alkoholfeststellungen für den 13.09., 15.09. und 20.09.2010 sind zwischen den Parteien streitig. Seit dem 21.09.2010 verweigerte der Kläger die Durchführung weiterer Tests zum Zwecke der Feststellung der Blutalkoholkonzentration.
Im Herbst 2010 weitete die Beklagte ihr Betriebsgelände zu dem ca. 800 Meter vom Hauptgelände entfernt liegenden sogenannten Containerplatz aus. Seitdem müssen die Hofarbeiter unterschiedlich oft zwischen Hauptgelände und Containerplatz über öffentliches Straßenland fahren. Am 07.12.2010 fuhr der Kläger mit einem Firmenfahrzeug außerhalb des Firmengeländes und verursachte einen Sachschaden an einem Fremd-Pkw.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob dieser Unfall auf eine Alkoholisierung des Klägers zurückzuführen ist. Am 12.01.2011 verweigerte der Kläger einen Alkoholtest, dessen Umstände im einzelnen zwischen den Parteien streitig sind.
Am 01.03.2011 führte die Beklagte eine Führerscheinkontrolle durch. Der Kläger legte der Beklagten am 03.03.2011 einen tschechischen Führerschein vor. Durch Schreiben des den Kläger behandelnden Arztes Dr. Ba. vom 07.03.2011 wurde die Beklagte darüber informiert, dass nach dem Abbruch der Alkoholtherapie im Rahmen der stationären Behandlung am 05.07.2010 keine weiteren Maßnahmen eingeleitet worden seien. Mit Schreiben vom 16.03.2011 forderte die Beklagte den Kläger unter Fristsetzung bis zum 31.03.2011 auf, verbindliche Unterlagen bezüglich Art und Zeitraum einer Entziehungskur in nächster Zukunft sowie eine schrif...