Ingrid Dries, Uta Reiber-Gamp
Der Mensch ist ein in sich bewegliches Gebilde, das ständig gegen die Schwerkraft zu arbeiten hat. Über 200 Knochen und 100 bewegliche Gelenke mit über 620 Skelettmuskeln verleihen dem Körper Stabilität und Beweglichkeit.
Bauch- und Rückenmuskeln bilden zusammen den gelenkstabilisierenden Anteil.
Die Funktionsmechanismen sind denen eines Segelbootes ähnlich. Die Wirbelsäule entspricht dem Mast. Die Bandstrukturen, die seitlich und vorne die Wirbelsäule stabilisieren, entsprechen den Spannseilen des Mastes. Die Spannseile des Segels in Verbindung mit dem Segel können mit den Muskeln verglichen werden. Sie halten die Wirbelsäule aufrecht, egal von wo der Wind bläst bzw. die Schwerkraft wirkt, und bewegen die Wirbelsäule dreidimensional im Raum.
Das Beispiel Segelschiff, das gerne als Metapher für die Funktion der Wirbelsäule genommen wird, hinkt insofern, da die Takelage des Segelschiffes einen starren Mast stabilisiert. Die Wirbelsäule ist im Vergleich zum Segelmast eine bewegliche Einheit. Sie lässt sich fast beliebig biegen und drehen und ist dennoch extrem belastbar, denkt man nur an die Tonnen, die ein Mensch im Laufe seines Lebens bewegt.
Diese Beweglichkeit und Belastbarkeit ergibt sich aus den einzelnen Bewegungssegmenten mit den Funktionseinheiten Wirbelkörper, Bandstruktur, Bandscheiben, Muskulatur und Nerven. Insofern ist der Begriff "Säule" nicht ganz richtig, wo es sich doch viel mehr um eine "Kette" handelt.
Belastbarkeit der Wirbelsäule
Knochen, Bandscheiben, Bänder und Muskeln zusammen tragen die Last. Aber jede Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied.
2.1 Wirbelsäule
Die Wirbelsäule besteht aus 33 Wirbeln. Davon sind 9 zum Kreuz- und Steißbein zusammengewachsen. Die übrigen unterteilen sich in 7 Hals-, 12 Brust- und 5 Lendenwirbel.
Der Knochen als lebendige Struktur reagiert im Laufe der Zeit mit Veränderungen. Verformungen, Randzacken und Degeneration sind seine Antwort auf jahrelange ständige Überlastung in Bezug auf seine individuellen Fähigkeiten und Voraussetzungen. Das Röntgenbild zeigt die Verformungen, die der Orthopäde mittlerweile als altersgerechte Arthrose bezeichnet.
Arthrose
Jede knöcherne Verformung reduziert die Belastungsfähigkeit. Häufig sind die Beweglichkeit und die Leistungsfähigkeit der bewegenden Muskulatur des Gelenks reduziert.
Arbeiten mit Arthrose
- Viel Bewegung bei reduzierter Belastung unterstützt die Bildung/Erneuerung der Gelenkflüssigkeit.
- Mikropausen sinnvoll mit Ausgleichsbewegungen nutzen.
- Bewegung bis zur Schmerzgrenze (mindestens aber bis über das erste Dehnungsgefühl hinaus) erhält die Beweglichkeit und Elastizität der Strukturen.
- Nordic Walking ist gelenkschonender als Joggen.
- Rückwärtskraulen ist die bessere Ausgleichsbewegung im Gegensatz zu Brustschwimmen mit Kopf aus dem Wasser. Auch Übungen im Wasser mit oder ohne Gerät sind empfehelnswert.
- Die Haltung auf dem Citybike belastet die Halswirbelsäule weniger als auf dem Mountainbike und dem Rennrad.
- Beim Krafttraining besonders die Muskelgruppen trainieren, die am Arbeitstag zu wenig gebraucht werden.
- Ausdauertraining zur Steigerung bzw. zum Erhalt der Kraftausdauer (positiver Einfluss auf Muskeln und Herz- Kreislaufsystem).
Nur durch den Einsatz einer gut funktionierenden Muskulatur können die passiven Strukturen (Gelenke und Bänder) geschont werden.
2.1.1 Wirbelgelenke als Führungsschiene
Die Gelenke sind die Schaltstellen der Bewegungen, indem sie die Knochenelemente miteinander verbinden. Die Gelenkflächen sind mit Knorpel überzogen, der die Reibung bei der Bewegung vermindert und den Knochen schützt. Die Gelenke werden von einer Kapsel umschlossen und durch Bänder stabilisiert. Der Kapsel-Bandapparat verhindert, dass die Bewegungen über die anatomischen Gelenkgrenzen hinaus stattfinden und das Gelenk ungünstig geführt und benutzt wird. Die Wirbelgelenke, die die Verzahnung der Wirbelkörper untereinander übernehmen (jeweils 2 Gelenke nach oben und 2 nach unten), verbinden den Wirbelkörper mit dem darüber und dem darunter liegenden.
Arthrose der Wirbelgelenke
Der Versuch einer Anpassung bei hoher Belastung wird an den Gelenken sichtbar durch Ausbildung von Randzacken, die auf diese Weise eine Flächenvergrößerung bewirken sollen. Durch Veränderungen der knöchernen Gelenkfläche wird die Beweglichkeit zunehmend eingeschränkt und das Gelenk anfällig für Gelenkblockaden. Bewegungseinschränkungen, Muskelhartspann und Schmerzen können die Folge sein ("Hexenschuss").
Viel häufiger als angenommen sind Rücken- und Kreuzschmerzen nicht bandscheibenbedingt, sondern werden durch eine Störung des jeweiligen Bewegungssegmentes ausgelöst bzw. sind ideopathisch, d. h., nicht einer bestimmten Struktur zuzuordnen.
Wirbelgelenksbelastung
Beim Knorpel müssen hohe Gelenkpressungen und Scherkräfte über längere Zeit vermieden werden. D. h., nicht verdreht bücken und heben.
2.2 Bandscheibe
Die jeweils zwischen 2 Wirbelkörpern liegende Bandscheibe, auch Zwischenwirbelscheibe genannt, besteht aus zwiebelschalenartig zirkulär angelegten Faserknorpelschichten, in d...