Ingrid Dries, Uta Reiber-Gamp
Die jeweils zwischen 2 Wirbelkörpern liegende Bandscheibe, auch Zwischenwirbelscheibe genannt, besteht aus zwiebelschalenartig zirkulär angelegten Faserknorpelschichten, in deren Zentrum wie eine Perle der Gallertkern (nucleus pulposus) liegt. Die Faserknorpel sind wie Schläuche angeordnet. Sie haben die Fähigkeit, Wasser zu binden und zu quellen. Durch den Quellungsdruck werden die benachbarten Wirbelkörper auf Abstand gehalten, wodurch sich die festen Bänder, die die Bandscheibe von Wirbelkörper zu Wirbelkörper überbrücken, straffen. Die Wirbelgelenke und somit die Nervendurchtrittsstellen haben damit ebenfalls mehr Raum/Platz – s. Abschn. 2.2.2.
Beim gesunden Erwachsenen machen die Zwischenwirbelscheiben nahezu 25 % der Gesamtlänge der Wirbelsäule aus. Tagsüber wird die Flüssigkeit durch die Belastung auf die Bandscheibe ausgepresst, der Wassergehalt nimmt ab. Die Wirbelsäule verliert an Höhe, sodass wir am Abend kleiner sind als am Morgen. Im Alter vermindert sich die Fähigkeit des Körpers, Wasser zu binden, der Quellungsdruck nimmt ab, was zur Folge hat, dass wir im Alter kleiner werden. Die Wirbelsäule kann dadurch 2–3 cm an Länge verlieren.
2.2.1 Belastung
Nehmen wir an, dass beim Stehen 100 % Belastung auf der 5. Bandscheibe lastet. Beim Heben eines 20 kg schweren Kastens steigt die Druckbelastung auf 450 %. Wird die Kiste mit gebeugten Beinen und geradem Rücken gehoben, reduziert sich der Druck auf 340 %. Wenn der Kasten dann nach dem Anheben so nah wie möglich an den Körper herangezogen wird und man eine leichte Lordosestellung einnimmt, kann der Druck weiter auf ca. 200 %, also das Doppelte des ursprünglichen Drucks im Stehen ohne Last, reduziert werden.
Oder nehmen wir Folgendes an:
- Aufrechte Haltung, Oberarme sind am Körper, Ellbogen 90 % gebeugt: es lasten ca. 70 kg im unteren Lendenwirbelsäulenbereich (Druckkraft L5, 700 Newton).
- 60° vorgeneigt, ohne Last, gleiche Armhaltung: dann sind es bereits ca. 180 kg (1.800 N).
- 30° vorgeneigt, 10 kg Last: dann sind es ca. 250 kg (2.500 N).
- 60° vorgeneigt, 25 kg Last: dann sind es ca. 430 kg (4.300 N); das entspricht den typischen Haltungen beim Last Aufnehmen, wie z. B. in der Logistik beim Paletten Abladen.
2.2.2 Funktionen
Pufferfunktion
Die Funktion der Bandscheibe ist es, die vertikale Belastung aufzufangen und abzufedern. Als zentraler Drehpunkt verteilt der Gallertkern die Druckbelastung auf die übrige Bandscheibe. Sie wirkt als festes Bindeglied und druckelastischer Puffer. Die Wirbelsäule erhält dadurch die Flexibilität einer Weidenrute.
Distanzhalter der Wirbelkörper
Die Höhe der Bandscheibe bestimmt den Abstand der beiden Wirbelkörper voneinander. Der Austrittsbereich für den seitlich herauskommenden Nerv ist entsprechend groß. Die schmerzlose Funktion ist gewährleistet.
Abgenutzte Bandscheibe
Auf dem Röntgenbild werden nur Knochen sichtbar gemacht. Die Bandscheiben haben einen hohen Anteil Flüssigkeit. Deshalb sind sie in der Kernspintomographie sichtbar. Spricht der Orthopäde bei dem Blick auf das Röntgenbild von abgenutzten Bandscheiben, leitet er diese Aussage von dem Abstand zweier Wirbelkörper ab. Je mehr Faserknorpelschläuche gerissen sind, desto weniger kann die Bandscheibe Wasser binden und den Quellungsdruck halten. Es kommt zur Höhenminderung zwischen den Wirbelkörpern. Die Bildgebung allein sagt aber nichts über die möglichen Beschwerden der Person aus.
2.2.3 Die Ernährung
Die Ernährung erfolgt nur durch Druck und Druckentlastung, d. h., Belastung und Entlastung im Wechsel gewähren die Versorgung der Bandscheiben mit den ernährenden Grundstoffen. Sie werden bei Entlastung eingesogen, bei Belastung ausgepresst.
Die Bandscheibe lebt von Bewegung.
Ernährungstipps für die Bandscheibe
- Bewegungen in alle Richtungen sind empfehlenswert: Rückwärts und seitlich bewegen und nach rechts und links drehen. Nach vorne unten beugen fordert hingegen die Arbeitsbewegung.
- Trampolinspringen und auf dem Ball Wippen (mit muskulärer "Sicherung") bedeutet Belastung und Entlastung im Wechsel – das Ernährungsprinzip der Bandscheibe.
- Nach hinten gelehnt entspannt sitzen oder im Stehen den Rücken an eine Wand anlehnen bedeutet Erholung und Ernährungsmöglichkeit. Der Druck im Zwischenwirbelraum sinkt, d. h., Lümmeln ist für die Lendenwirbelsäule gesund – zumindest in der richtigen Dosierung.
Haltungstipp zur Reduzierung der einseitigen Bandscheibenbelastung
Zum Heben einer Last sollte man so dicht wie möglich an die Last herangehen, anschließend etwas in die Hocke gehen und die Last mit gestrecktem – muskulär stabilem – Rücken heben.