Neben dem technologischen Wandel stellt auch die demografische Entwicklung die Unternehmen in Bezug auf Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit vor wachsende Herausforderungen. Laut statistischem Bundesamt haben wir in 15 bis 20 Jahren ca. 5 bis 8 Mio. weniger erwerbsfähige Menschen in Deutschland. Gleichzeitig nimmt der Anteil der arbeitenden Personen zwischen 50 und 65 Jahren kontinuierlich zu.
Die Statistiker schlussfolgern, dass ein jährlich hoher Einwanderungsüberschuss und ein ca. 40%iger (!) Anstieg der Geburtenrate notwendig wäre, um diese Entwicklung zu verhindern. Stand heute ist also von einem steigenden Altersdurchschnitt der Arbeitnehmer und schrumpfendem Erwerbspotenzial in der Bevölkerung auszugehen.
Die Beschäftigung mit dem demografischen Wandel in der Arbeitswelt ist demnach kein "Ü-60-Projekt". Es geht um die Frage, unter welchen positiven Arbeitsbedingungen alle Beschäftigungsgruppen in Unternehmen über das gesamte Berufsleben hinweg gesund und leistungsfähig bleiben können. Dabei können betriebsspezifische wie auch allgemeingültige Instrumente zum Einsatz kommen, z. B.:
- demografiespezifische Gefährdungsbeurteilung,
- Betriebliches Gesundheitsmanagement,
- Altersstrukturanalyse,
- kontinuierliche Anpassung der Arbeits- und Organisationsprozesse.
Individuelle Gegebenheiten berücksichtigen
Lösungsstrategien und Maßnahmen müssen sich an den individuellen betrieblichen Gegebenheiten orientieren. Der Focus darf nicht nur auf Sicherheit und Gesunderhaltung der Mitarbeiter liegen, sondern auch Personalbindung, Qualifizierung oder Personalrekrutierung sind notwendig zu bearbeitende Strategiefelder.
5.1 Die Altersstrukturanalyse
Die Altersstrukturanalyse ermöglicht eine systematische Datenerhebung der aktuellen betrieblichen Alterssituation. Sie liefert die Fakten für die Erstellung von Zukunftsszenarien. Mit dem Wissen um die Altersverteilung innerhalb der Belegschaft lassen sich gezielt etwa erforderliche Schritte, wie rechtzeitiger Ersatz ausscheidender Mitarbeiter, Reduzierung von Fluktuation, Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit oder Sicherstellung des Wissenstransfers, einleiten. Das solide Datenfundament hilft so den Unternehmen, Lücken zu schließen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität und Zukunftsfähigkeit zu erhalten.
5.2 Demografiespezifische Gefährdungsbeurteilung
Die demografiespezifische Gefährdungsbeurteilung eröffnet die Möglichkeit des direkten Eingriffs zur nachhaltigen und alter(n)sgerechten Verbesserung hinsichtlich Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Der VDSI-Fachbereich "Demografie und Beschäftigungsfähigkeit" hat gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin (DGAUM) und dem Verein Demografie-Experten (DEx) eine entsprechende "Gefährdungsbeurteilung Demografie" entwickelt.
Das Dokument definiert demografiespezifische Aspekte der Gefährdungen und Belastungen am Arbeitsplatz. Die Gefährdungsbeurteilung ist als Handlungshilfe konzipiert, die mögliche Maßnahmen einer langfristigen Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit und einer angemessenen Nutzung des verfügbaren Leistungsvermögens der Menschen aufzeigt.
Mit einem ganzheitlichen Ansatz verfolgt man die Intention, die betriebliche Gefährdungsbeurteilung aus ihrer noch stark vorherrschenden arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogenen Perspektive in eine deutlich personen- und arbeitsprozessbezogene Ausrichtung zu bringen (vgl. Abb. 1).
Abb. 1: Ganzheitlicher Ansatz einer Gefährdungsbeurteilung
Psychische Belastungen
Am Beispiel psychische/psychosoziale Belastungen soll gezeigt werden, wie im Betrieb alle 4 Felder wechselseitig als Unfall-/Krankheitsverursacher wirken können:
- Arbeitsinhalt und Aufgabe, etwa durch Unter- oder Überforderung, Eintönigkeit, hohe Komplexität,
- Arbeitsorganisation, z. B. durch hohe Flexibilität, Leistungstempo, häufige Fehlplanungen, regelmäßige Überstunden,
- Arbeitsumgebung und Arbeitsmittel, etwa durch alte, ungeeignete/defekte Ausrüstung, enge, vollgestopfte Produktionsflächen, ständigen Platzmangel, Lärm, mangelnde Sicherheitsstandards,
- soziale Beziehungen, beispielhaft durch hierarchische Führungskultur, mangelnde Wertschätzung oder Konfliktbewältigung.
Hier finden sich häufig Ursachen für stressbedingte Symptome (z. B. Bluthochdruck, Schlafstörungen), Depression, Zukunfts-/Verlustängste, innere Kündigung, Unfälle u. a. m. Gezielte, altersgerechte, der individuellen Arbeitsfähigkeit angepasste Maßnahmen können dann mithilfe der demografiespezifischen Gefährdungsbeurteilun...