Prof. Dr. Rainer von Kiparski †, Dipl.-Ing. Thomas Bosselmann †
Zusammenfassung
Nadelstichverletzungen (NSV) sind ist alle Stich-, Schnitt- und Kratzverletzungen der Haut durch stechende oder schneidende Instrumente, die durch Patientenmaterial verunreinigt sind – unabhängig davon, ob die Wunde blutet oder nicht. NSV können durch alle benutzten medizinischen Instrumente, die die Haut penetrieren können, wie Nadeln, Lanzetten, Kanülen, Skalpelle, chirurgische Drähte verursacht werden. Mit Nadelstichverletzungen ist regelmäßig eine Gefahr für die Betroffenen verbunden, da durch derartige Verletzungen Krankheitserreger vom Patienten auf das medizinische Personal übertragen werden können. Als besonders gefährlich gelten Verletzungen an zur Diagnose verwendeten Medizinprodukten wie blutgefüllten Hohlnadeln oder mit Blut kontaminierten Lanzetten, da durch diese besonders große Blutmengen übertragen werden können.
Im Hinblick auf die Thematik Nadelstichverletzungen sind relevant:
- Richtlinie 2010/32/EU "Vermeidung von Verletzungen durch scharfe/spitze Instrumente im Krankenhaus- und Gesundheitssektor"
- Biostoffverordnung
- TRBA 250 "Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege"
1 Auftreten von Nadelstichverletzungen
48 % aller Verletzungen im Gesundheitsdienst sind gemäß einer Untersuchung der Universitätsklinik Düsseldorf Nadelstichverletzungen. Bei der Untersuchung, wer sich verletzt hat, gaben von 2.105 Personen 1.171 Mitarbeiter aus dem Pflegedienst eine Nadelstichverletzung an. Beim ärztlichen Personal waren es immerhin noch 616 Befragte. Weiterhin wurde ermittelt, bei welcher Tätigkeit die Nadelstichverletzung erfolgte. Herausragende Tätigkeit war dabei primär die Entsorgung von gebrauchten spitzen Instrumenten (n=402). Anschließend wurden 259 Mitarbeiter gefragt, wie oft sie sich verletzt hätten. Mehr als die Hälfte der Befragten hatte sich 1- bis 3-mal mit einem spitzen Instrument verletzt. Bei der Befragung, warum die Verletzten diese Nadelstichverletzungen nicht gemeldet haben, antworteten von 31 Befragten 33 %, dass sie diese Verletzung für eine Bagatelle gehalten haben.
2 Folgen von Nadelstichverletzungen
Wird die Hautbarriere durch eine (Stich-)Verletzung durchbrochen, und ist das scharfe Instrument zuvor bei einem infektiösen Patienten verwendet worden, ist das Risiko einer Erregerübertragung sehr groß. Durch direkte Blut-zu-Blut-Kontakte können praktisch alle bekannten Infektionserreger übertragen werden. Es wurden auch die Übertragungen von Erregern der Tuberkulose, der Malaria, der Syphilis und von zahlreichen anderen Infektionserkrankungen dokumentiert.
Leider ist es i. d. R. nicht möglich, sofort nach einer Stichverletzung jegliches Infektionsrisiko auszuschließen. Selbst wenn innerhalb von kurzer Zeit ausgeschlossen werden kann, dass der Spender der Nadelstichverletzung infektionsrelevante Erreger in sich trägt, bleibt dennoch ein Rest Unsicherheit, da nicht alle arbeitsmedizinisch relevanten Erreger jederzeit nachweisbar sind. Unsicherheit herrscht erst recht dann, wenn der Spender unbekannt ist oder wenn nach der Untersuchung des Spenders feststeht, dass dieser Träger gefährlicher Viren wie z. B. HIV oder Hepatitis C ist.
Hepatitis C kann erst nach dem Auftreten der Infektion behandelt werden, eine postexpositionelle Prophylaxe wie bei Hepatitis B und HIV ist nicht möglich. Bis zu 6 Wochen besteht daher bei einem Betroffenen die Unsicherheit darüber, ob sich eine Hepatitis C Infektion einstellt.
Ängste vor Infektionen
Ängste vor eventuellen Infektionen spielen daher nach einer derartigen Verletzung bei den Betroffenen eine große Rolle:
- Bei Nadelstichverletzungen mit unbekannten Spenderpatienten (d. h. es ist unklar, bei welchem Patienten die Nadel vorher verwendet wurde) kann über das tatsächliche Risiko einer Infektion keinerlei Auskunft gegeben werden. Dies erzeugt bei den Betroffenen verständlicherweise Angst.
- Auch für bestimmte häufige Verletzungsmuster (Stich an einer Subkutannadel) existieren bis heute keine genauen Daten zur tatsächlichen Gefährlichkeit eines derartigen Stichs. Sicher ist nur, dass eine Infektionsgefahr nicht ausgeschlossen werden darf. Das erzeugt Angst.
- Das Problem "Nadelstichverletzung" wird teilweise von Vorgesetzten nicht ernst genommen und bagatellisiert. Ängste der Betroffenen werden dadurch jedoch eher verstärkt, da keine ernsthafte Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Risiken erfolgt und jegliche medizinische Beratung oder Behandlung ausbleibt.
3 Schutz vor Nadelstichverletzungen
3.1 Mittel gegen die Angst
Nadelstichverletzungen sind (wie oben erwähnt) häufig. Aber auch wenn eine nicht zu vernachlässigende Gefahr für Infektionen in der Folge besteht, muss festgehalten werden, dass Infektionen in Zeiten der Schutzimpfung gegen das Hepatitis-B-Virus relativ selten sind.
Betroffene, die Angst vor Infektionen haben, werden ihre Verletzung in jedem Fall melden bzw. im Verbandsbuch oder Meldeblock dokumentieren. Trotz der dann sehr guten Prognose – sofortige postexpositionelle Therapie bzw. frühzeitige Behandlung einer Infektion begrenzen d...