Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst
Zusammenfassung
Der Begriff "Nudging" stammt aus der Verhaltensökonomik. Er bedeutet soviel wie "anstupsen". Es geht darum, durch die gezielte Gestaltung von Umgebungsfaktoren Entscheidungen von Menschen in eine bestimmte, als sinnvoll erachtete Richtung zu beeinflussen.
1 Erläuterungen zum Begriff "Nudging"
Der Begriff "Nudging" stammt ursprünglich aus der Verhaltenökonomik. Er wurde durch den amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Richard Thaler und den Rechtswissenschaftler Cass Sunstein geprägt. Ihr Konzept stellten die beiden Wissenschaftler im Jahr 2009 in ihrem Buch "Nudge: Improving Decisions about Health, Wealth and Happiness" (deutsch: "Nudge – wie man kluge Entscheidungen anstößt") vor.
Ihre Grundannahme lautet, dass Menschen nicht immer rational entscheiden und daher auch nicht immer die besten Entscheidungen für ihr Wohlergehen oder das der Umwelt treffen. Durch eine Veränderung der Umgebungsfaktoren können die Entscheidungen in eine als positiv angesehene Richtung beeinflusst werden. Ihre Grundhaltung bezeichnen die Autoren als "liberalen Paternalismus". Paternalismus bezieht sich darauf, dass Experten in einigen Lebensbereichen – z. B. Gesundheit oder Altersvorsorge – besser Bescheid wissen als Laien und es daher sinnvoll ist, wenn Menschen zu ihrem eigenen Wohl "angestupst" werden. Liberal meint in diesem Zusammenhang, dass die Freiheiten der Menschen trotzdem nicht beeinträchtigt werden dürfen; es soll keine Verhaltensvorschriften geben. Eine Entscheidung gegen die Expertenmeinung muss immer ganz einfach möglich bleiben.
Nudging kann in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden, z. B. in der Politik (Organspende), bei Gesundheitsthemen (Impfen), beim Umweltschutz (umweltfreundliches Verhalten) oder bei finanzieller Vorsorge (Förderung des Sparens).
Nudging in der Kantine
In verschiedenen Studien zeigte sich, dass die Wahl der Kunden für eher gesundes oder ungesundes Essen auch damit zu tun hat, wo diese Gerichte platziert werden. Werden Obst und gesunde Gerichte auf Augenhöhe präsentiert, werden sie eher ausgewählt. Ein ähnlicher Effekt lasst sich erzielen, wenn die gesunden Speisen entweder am Anfang oder am Ende einer Speisekarte angeboten werden.
2 Arten von Nudges und Interventionstypen
Das Grundprinzip des Nudging setzt voraus, dass keine relevanten ökonomischen Anreize in irgendeiner Form gesetzt werden. Die Menschen sollen also nicht "bestochen" werden, sich für eine bestimmte Alternative zu entscheiden. Thaler und Sunstein benennen verschiedene psychologische Prinzipien, die die Entscheidungen von Menschen beeinflussen und die sinnvoll für das Nudging genutzt werden können.
Anreize lassen sich auf verschiedene Weise setzen, z. B. in der Kantine:
- Das Verknüpfen von ungünstigem Verhalten mit sehr geringen Kosten, z. B. ein symbolischer Geldbetrag (der für einen wohltätigen Zweck gespendet wird), wenn ein sehr kalorienhaltiger Nachtisch gewählt wird.
- Die Präsentation der verschiedenen Möglichkeiten ("Framing"), z. B. gesunde Gerichte auf Augenhöhe und ungesundes Essen eher weniger sichtbar in der Essensausgabe platzieren.
- Standardregeln, die automatisch eintreten, wenn keine bewusste Entscheidung getroffen wurde; z. B. gibt es automatisch ein vegetarisches Gericht, wenn nichts anderes gewählt wurde.
- Informations-Nudges: Die Mitarbeiter werden in der Kantine über die gesünderen Gerichte informiert, z. B. über eine Lebensmittel-Ampel, damit sie eine optimale Entscheidung treffen können.
3 Nudging in der betrieblichen Gesundheitsförderung
Auch im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention lassen sich die Methoden des Nudging sinnvoll einsetzen. So lässt sich z. B. das Bewegungs- oder Essverhalten günstig beeinflussen.
Treppe statt Aufzug
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lassen sich leichter zum Nutzen der Treppe anregen, wenn auf jeder Stufe ein Aufkleber die verbrauchten Kalorien anzeigt oder die Stufen in der Art von Klaviertasten angemalt sind.
Es gibt verschiedene Bereiche, in denen das Nudging im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung eingesetzt werden kann, z. B.
- mehr Bewegung im Betrieb,
- mehr Bewegung auf dem Weg zur Arbeit,
- Einhalten von Pausen und Ruhezeiten,
- unterstützendes Verhalten im Team, gutes Teamklima,
- gesundheitsförderliches Führungsverhalten.
Es gibt sehr unterschiedliche Möglichkeiten, wie die Anreize gesetzt werden können. Hier sind Fantasie und Kreativität gefragt.
In einer Typologie von Nudging-Interventionen wurden drei Arten von Interventionen beschrieben:
- Veränderung der Eigenschaften der Anreize
- Veränderung der Platzierung der Anreize
- Veränderung von Eigenschaften und Platzierung der Anreize
Ziele setzen
Bevor Nudges zur Gesundheitsförderung im Betrieb entwickelt werden, sollten immer möglichst präzise Ziele formuliert werden. So können z. B. eine bestimmte Rücklaufquote bei einer Mitarbeiterbefragung oder das korrekte Anlegen der Schutzkleidung als Ziele gesetzt werden.
Hilfreich für die passgenaue Entwicklung von Nudges im Betrieb ist das MINDSPACE-Gestaltungsmodell. Diesem Modell liegen wissenschaftliche Erkenntnisse darüber zugrunde, welche Faktoren menschl...