Tomy Sobetzko, Dr. Rupprecht Maushart
Zusammenfassung
Die Nuklearmedizin entwickelt und betreibt diagnostische Verfahren unter Verwendung von Radionukliden (Radioaktivität). Die Besonderheit der nuklearmedizinischen Diagnostik ist, dass mithilfe radioaktiver Substanzen als "Tracer in Lebewesen" funktionale Zusammenhänge und molekulare Prozesse (Stoffwechselprozesse) sichtbar gemacht werden können. Bei dieser in-vivo-Diagnostik werden Radiopharmaka in den Stoffwechsel des Körpers eingeschleust und ihre zeitliche und örtliche Verteilung in bestimmten Körperorganen von außen messtechnisch lokalisiert ("inside-out clinical studies"). Außerdem gibt es noch die in-vitro-Diagnostik, bei der in einer Blutprobe außerhalb des Körpers die Konzentrationen von blutgetragenen Komponenten wie Hormone mittels radioaktiv markierter Stoffe (Radiotracer) bestimmt werden. Die Nuklide werden durch künstliche Kernreaktionen hergestellt und haben i. d. R eine kurze Lebenszeit.
Die Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) enthält unter Abschnitt 5 "Medizinische Forschung" (§§ 31 ff. StrlSchV) besondere Hinweise für die Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung am Menschen. Diese finden u. a. auch Anwendung für die Nuklearmedizin.
1 Wie hat sich die Nuklearmedizin entwickelt?
Radionuklide haben ein ganz neues Feld der Medizin hervorgerufen: Die Nuklearmedizin. Bereits in den 20er Jahren wurden mit dem natürlichen Radionuklid Wismut-214 (214Bi, RaC) Kreislaufstudien an Versuchstieren gemacht. Als rund 10 Jahre später die ersten künstlich erzeugten Radionuklide zur Verfügung standen, benutzte George Hevesy 1935 Phosphor-32 (32P) zur Bestimmung der Phosphor-Einlagerung in die Knochen bei Ratten. Dafür erhielt er 1943 den Nobelpreis.
In der Folgezeit wurde 32P zur Lokalisation von Gehirntumoren eingesetzt und mit Jod-131 (131I) der Schilddrüsen-Stoffwechsel untersucht. Ein weiterer Anwendungsbereich wurde 1957 durch die Einführung des sehr kurzlebigen Radionuklids Technetium-99m (99mTc) erschlossen, das über einen so genannten "Molybdänium-Generator" sehr einfach und am Einsatzort hergestellt werden kann.
2 Was tut die Nuklearmedizin heute?
Durch enorme Fortschritte in der modernen Detektionstechnik ist die Nuklearmedizin heute ein weit verbreiteter und allgemein anerkannter Zweig der medizinischen Diagnostik. Die so genannte Computer-Tomographie erlaubt mit hochentwickelten Messsystemen wie PET (Positronen-Emissions-Tomograph) und SPECT (Single-Photon-Emissions-Computer-Tomograph) die dreidimensionale Darstellung der untersuchten Organe. Dabei zählen heute die Gehirnfunktionsstudien ("Brain Mapping") und die Tumor-Szintigrafie zu den modernsten Anwendungsgebieten radioaktiver Tracer. Aus Gründen des Strahlenschutzes werden als Radiotracer nur äußerst kurzlebige Radionuklide wie Stickstoff-13 (13N) mit rund 10 min. Halbwertzeit eingesetzt, die ihre Radioaktivität rasch verlieren, aber in großen Beschleuniger-Anlagen vor Ort hergestellt werden müssen.
Die genannten in-vivo-Methoden werden ergänzt durch den Radioimmuno-Assay zur in-vitro-Diagnostik. Das Konzept, ursprünglich zur Bestimmung des Insulingehalts im Blut entwickelt, hat in der Folge die gesamte Endokrinologie (Stoffwechselkunde) revolutioniert. Mit Radioassays lassen sich heute Stoffwechselstörungen feststellen, Hormonkonzentrationen im Blut bestimmen und Drogen und Pharmaka nachweisen.