Dipl.-Ing. (FH) Petra Liebsch
1.1 Allgemeines
Eine Treppe (s. Abb. 1) besteht i. W. aus dem Treppenlauf und den Treppenpodesten am Anfang und Ende eines Treppenlaufs oder als Treppenabsatz zwischen 2 Treppenläufen. Ein Treppenlauf wird aus mind. 3 Stufen gebildet.
Abb. 1: Prinzipdarstellung einer Treppe mit Podest
Die Stufenform ergibt sich aus der Stufensteigung s und dem Auftritt a. Aus dem Verhältnis von Stufensteigung s zu Auftritt a errechnet sich der Steigungswinkel α.
Treppen werden aus massiven Werkstoffen wie Stein oder Stahlbeton und als Treppenkonstruktionen aus Holz, Stahl und Aluminium hergestellt. Treppen, deren Stufen in seitliche Wangen (= Treppenlaufträger) eingelassen sind, werden als eingestemmte Treppen und Treppen, deren Stufen auf die Wangen aufgelegt sind, werden als aufgesattelte Treppen bezeichnet.
Der Treppenbenutzer schreitet nicht auf einer waagerechten Ebene, sondern steigt auf einer ununterbrochenen Stufenfolge auf- oder abwärts. Dies fordert von ihm, i. W. in Abhängigkeit von dem Steigungswinkel der Treppe, eine zwangsläufige Anpassung seines normalen Schrittes an die vorhandenen Stufenformen. Führen solche Stufenformen zu unsicheren oder zu unbequemen Schritten, sind vermehrtes Stolpern und Stürzen die Folge. Deshalb sind vom Grundsatz her hohe Anforderungen an Konstruktion, Bau, Instandhaltung und Benutzung von Treppen zu stellen.
Um Stürzen auf Treppen vorzubeugen, sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich. Treppen müssen ab einer bestimmten – je nach Einsatz festgelegten – Höhe mit Sicherungen gegen Absturz ausgeführt sein, v. a. Geländern, Handläufen sowie Zwischenpodesten. Treppenstufen sind rutschhemmend zu gestalten; über den Grad der Rutschhemmung entscheidet der Einsatz. Eine ausreichende Treppenbreite ist erforderlich. Sie richtet sich nach der Art der Nutzung und Anzahl der Treppenbenutzer.
1.2 Unfallgeschehen
Nach der Unfallstatistik der gewerblichen Berufsgenossenschaften ereignen sich jährlich etwa 38.000 meldepflichtige Unfälle auf Treppen in gewerblichen Unternehmen. Etwa 600 der Unfälle sind so schwerwiegend, dass bleibende Körperschäden eintreten; weniger als 10 Unfälle verlaufen tödlich.
Die Untersuchung der Sturzunfälle auf Treppen mit besonders schweren Verletzungen – insbesondere auf gewinkelten Treppen – führte zu folgenden Ergebnissen, gegliedert nach dem T-O-P-Prinzip:
T -Technische Ursachen
- zu geringe Stufentiefen: als ungünstig haben sich Stufentiefen unter 26 cm erwiesen
- zu hohe Steigung: als ungünstig haben sich Steigungen mit mehr als 19 cm erwiesen
- Steigungsunterschiede: schon wenige Millimeter (ab 4 bis 5 mm) Höhenunterschied zwischen benachbarten Stufen können zum Stolpern führen
- Zustand der Stufentrittfläche (Rutschhemmung)
- Zustand der Stufenkanten (Abnutzung)
- unzureichende Beleuchtung
O – Organisatorische Ursachen
- Transport von Gegenständen (mit Sichtbehinderung)
- nicht geräumte/enteiste Außentreppen
- fehlende Hinweise auf gerade nass gereinigte Innentreppen
- Verwendung der Treppe zum Abstellen von Gegenständen, wie z. B. Verkaufsartikel im Einzelhandel
P – Persönliches Verhalten
- Hast
- Unkonzentriertheit und Ablenkung, z. B. beim Begehen der Treppe im Gespräch
- Nicht-Benutzen des Handlaufs
Generell ereignet sich die weit überwiegende Anzahl an Unfällen beim Abwärtsgehen, da hier der Zustand der Stufenkanten und die nicht zu verwendende Unterschneidung (insbesondere bei Hilfstreppen) in Verbindung mit Hast als Hauptunfallursache eine größere Rolle spielen.
Persönliches Verhalten ausschlaggebend
Aus Unfalluntersuchungen weiß man, dass bauliche Mängel gegenüber organisatorischen Mängeln sowie dem persönlichen Fehlverhalten in den Hintergrund treten und der Beeinflussung des Menschen, z. B. durch Unterweisungen, erhöhte Bedeutung zukommt.
1.3 Ergonomische Gesichtspunkte
Eine grundsätzliche Voraussetzung, um Stürzen auf Treppen beim Gehen weitgehend vorzubeugen, ist die Gestaltung einer Treppe unter Berücksichtigung der Gehgewohnheiten, die wie ein Programm im Menschen gespeichert sind. So gewöhnt sich der Mensch nach wenigen Schritten an eine bestimmte Schrittfolge. Ändert sich dann z. B. die Stufenhöhe geringfügig, ist das Stolpern vorprogrammiert.
Die sicherheitstechnischen Voraussetzungen einer Treppe sind daher i. W. dann erfüllt, wenn die Treppenabmessungen und die Treppenform, z. B. die Steigung der Treppe, die Stufenhöhen und Auftritttiefen, gleichbleibend und so ausgeführt sind, dass ein bequemes, ermüdungsfreies und sicheres Begehen der Treppe sowohl aufwärts als auch abwärts möglich ist (s. Abb. 2).
Abb. 2: Ermittlung des Stufenabstandes
Eine wesentliche Auswirkung des Bewegungsprogramms ist die Länge des Schrittes einer Person, die sog. Schrittlänge oder das Schrittmaß. Das mittlere Schrittmaß beträgt beim Schreiten auf waagerechtem Boden entsprechend empirisch gesammelter Erfahrungen 62 cm (s. ASR A1.8). Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Körpergrößen der Menschen liegt der Toleranzbereich bei ± 3 cm.
Das Schrittmaß verkürzt sich beim Schreiten auf einer steigenden Fläche. Die Verkürzung beträgt etwa das Doppelte des Höhenunterschied...