Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst
Nicht nur dramatische Katastrophen und persönliche Tragödien verlangen dem Menschen viel Widerstandskraft ab. Auch der ganz gewöhnliche Alltagsstress muss immer wieder bewältigt werden: dauernde Umstrukturierungen in der Firma, Kurzarbeit, die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder finanzielle Sorgen. Dass diese Dauerbelastungen besorgniserregende gesundheitliche Konsequenzen für Beschäftigte haben, zeigen aktuelle Studien und die Gesundheitsberichte der Krankenkassen.
Die Fähigkeit, widerstandsfähig gegenüber äußeren Belastungen und Krisensituationen zu sein, wird in der Psychologie als Resilienz bezeichnet. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Physik (ähnlich wie auch der Begriff "Stress") und bezeichnet die Fähigkeit eines Werkstoffs, sich verformen zu lassen und dennoch in die ursprüngliche Form zurückzufinden. Der resiliente Mensch gleicht also einem Stehaufmännchen, das sich immer wieder aufrichtet, auch wenn es umgestoßen wird. Damit ist der Begriff Resilienz auch weiter gefasst als der Begriff Stress.
Die Eigenschaft Resilienz ist wahrscheinlich zu einem Teil genetisch mitbestimmt, lässt sich aber auch erlernen und gezielt trainieren. Viele Menschen verfügen bereits über eine breite Palette von Fähigkeiten und Eigenschaften, die zusammen die Resilienz ausmachen. Es gibt nicht nur einen Weg, um die eigene Resilienz weiter zu entwickeln. Eine ganze Bandbreite von Verhaltensweisen, Gedanken und Aktivitäten steht für die eigene Widerstandsfähigkeit zur Verfügung. Aktuelle Berichte zum Stand der Forschung beschreiben, welche Faktoren am meisten zur persönlichen Resilienz beitragen.
Jeder Mensch kann seine eigene Strategie entwickeln, je nachdem wo bereits besondere Stärken und Fähigkeiten liegen. Es sollte aber darauf geachtet werden, möglichst jeden Bereich der Resilienz zu stärken. In unterschiedlichen Situationen können ganz unterschiedliche Bewältigungsstrategien gefragt sein. Da sind diejenigen im Vorteil, die auf eine Fülle von verschiedenen Verhaltensweisen und Einstellungen zurückgreifen können.
Resilienztraining
Angesichts der steigenden Stressbelastungen ist das Training von Resilienz auch in Firmen sinnvoll, sowohl für Mitarbeiter als auch für Führungskräfte. Damit können den Mitarbeitern wirksame Strategien und Verhaltensweisen vermittelt werden, die ihnen dabei helfen können, mit starken Stressbelastungen oder Changeprozessen in der Firma besser umzugehen.
Diese Fähigkeiten und Verhaltensweisen sind unterschiedlich bedeutsam für die individuelle Resilienz, wie in Abb. 2 dargestellt. Je größer der Faktor dargestellt wird, desto wichtiger hat er sich in der psychologischen Forschung herausgestellt.
Abb. 2: Wirksame Faktoren der Resilienz
Einer der hilfreichsten Bausteine der individuellen Resilienz ist die Unterstützung durch ein tragendes soziales Netzwerk. Ein solches Netzwerk sollte sowohl am Arbeitsplatz, als auch im privaten Bereich bestehen. Ein weiterer sehr wirksamer Faktor ist das Vertrauen in die eigene Kompetenz, das durch die Erfahrung entsteht, Anforderungen in der Vergangenheit erfolgreich bewältigt zu haben. Auch Feedback über gute Leistungen und erfolgreiche Lösung von Problemen, am wirksamsten durch Führungskräfte, hilft beim Aufbau des Vertrauens in die eigenen Fähigkeiten.
Als wichtige Grundlage für resilientes Handeln hat sich das aktive Bewältigen von Problemen herausgestellt. Eine abwartende, vermeidende oder verleugnende Haltung ist dagegen wenig hilfreich. Zum aktiven Problemlösen passt auch das Definieren und Verfolgen von Zielen in schwierigen Lebenssituationen. Positive Emotionen, wie z. B. Optimismus und Zuversicht, tragen ebenfalls zum Bewältigen von Krisen bei, da sie ein aktives Herangehen unterstützen.
Die am wenigsten stark wirkenden Faktoren der individuellen Resilienz beziehen sich eher auf individuelle Einstellungen. Ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl unterstützt ein aktives Herangehen an Probleme und trägt dazu bei, sich selbst als wichtig genug zu empfinden, um Energie in die Bewältigung von schwierigen und belastenden Situationen zu stecken, anstatt diese einfach nur zu ertragen. Mit dem Stichwort Kontrollüberzeugung ist die innere Überzeugung gemeint, mit eigenen Handlungen die Umwelt und den Ablauf von Geschehnissen beeinflussen zu können und diesen nicht einfach nur hilflos ausgeliefert zu sein. Eine ausreichend vorhandene Kontrollüberzeugung hilft ebenfalls bei einem aktiven Anpacken von Problemen, weil davon ausgegangen wird, dass eigene Lösungen wirksam sein werden.
Beauftragung externer Dienstleister
Falls Sie in Ihrem Unternehmen Maßnahmen zur Resilienzförderung einführen möchten und dafür externe Dienstleister engagieren, lassen Sie sich von diesen deren zugrunde liegendes Resilienzmodell darlegen. Resilienz hat sich zu einem Modethema entwickelt, an dem viele Anbieter teilhaben wollen, ohne über die nötige Qualifikation oder theoretische Grundlagen zu verfügen. Resilienzförderung ist ein anspruchsvolles Thema, das sich nicht...