Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst
Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter kann auch in schwierigen Krisenzeiten etwas dafür tun, die persönliche Resilienz zu fördern und so wirksamer mit den Schwierigkeiten umzugehen. Dafür bietet die Aufbaustufe der Resilienz nach Al Siebert verschiedene Ansatzpunkte.
5.1 Aufbaustufe der Resilienz
Zu den Ebenen der Aufbaustufe der Resilienz gehören die 3 Ebenen "starkes Selbstvertrauen", "Synergie und Lernbereitschaft" sowie "persönliches Wachstum". Es gibt Übungen und Verhaltensweisen, mit denen sich diese 3 Ebenen fördern lassen.
1. Selbstvertrauen
Selbstvertrauen hat mit unseren Erfahrungen mit uns selbst zu tun, wann wir erfolgreich Aufgaben gelöst haben oder mit anderen Menschen umgegangen sind. Es hängt also davon ab, wie viel Übung wir im Umgang mit schwierigen Situationen haben.
Oft vergleichen wir uns mit anderen Menschen, nehmen wahr, wie diese handeln oder welche Fähigkeiten sie mitbringen. Wir neigen dazu, unsere eigenen Fähigkeiten kleinzureden und die anderer Personen überzubewerten. Über sich selbst zu reflektieren und folgende Fragen zu beantworten hilft dagegen:
- Was kann ich gut?
- Welche Probleme habe ich schon erfolgreich bewältigt?
- Wie bin ich schon erfolgreich mit Stress umgegangen?
- Wofür loben mich andere Menschen?
- In welchen Lebenslagen werde ich um Rat gefragt?
- Wie kann ich meine Stärken in der jetzigen Situation produktiv einsetzen?
- Können meine Fähigkeiten auch anderen nützen?
Die ersten 3 Fragen dienen dazu, die Eigenperspektive zu erforschen und sich seiner eigenen Stärken und Erfolge bewusst zu werden. Die letzten 4 Fragen beschäftigen sich mit der Fremdperspektive, d. h., wie andere Menschen einen einschätzen. Wenn wir uns aus der Sichtweise anderer Menschen betrachten, finden wir häufig deutlich mehr Positives an uns.
2. Lernbereitschaft und Synergie
Eine gewisse Neugier und Lernbereitschaft gehört ebenfalls zu den fortgeschrittenen Resilienzfähigkeiten. Neugier ist wesentlich für Resilienz. Mithilfe von Neugier und Unvoreingenommenheit kann man sich besser in neuen Umständen orientieren. Neugier ermöglicht es, in einer unerwarteten Krise die richtigen Fragen zu stellen und schnell Antworten zu finden. Das schnelle Erfassen der neuen Situation und Finden passender Handlungen stärkt die Resilienz.
Menschen mit einer sehr ausgeprägten Lernbereitschaft neigen dazu, die Dinge zu hinterfragen und sich dafür zu interessieren, wie etwas funktioniert. Sie wollen möglichst viele Fähigkeiten selbst erwerben, z. B. ein PC-Programm selbst beherrschen und nicht nur die Techniker alles einrichten lassen.
Das Resultat ist, dass neugierige Menschen oft über ein sehr vielfältiges und breites Wissen verfügen und viele Dinge selber machen können. Das ist gerade in neuen Situationen und Krisen sehr hilfreich.
Lernbereite Menschen sind eher in der Lage, die Stärken und Fähigkeiten anderer Personen neidlos zu sehen und anzuerkennen. So können sie gute Teams zusammenstellen, in denen unterschiedliche Kenntnisse und Fähigkeiten der einzelnen Mitglieder zusammengefügt werden. Auch dies ist hilfreich beim Bewältigen von schwierigen Situationen.
Vorgesetzte und Unternehmen sollten ihren Mitarbeitern durchaus vertrauen und sie selbst nach Lösungen suchen lassen. Selbstorganisierte Teams bringen oft hervorragende Ergebnisse, die weit über das hinausgehen, was man sonst geplant hätte.
3. Persönliches Wachstum stärken
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der guten Bewältigung von Alltagsstress und Resilienz ist die Chance auf persönliches Wachstum, das aus Krisen erwachsen kann. Viele Menschen berichten davon, in schwierigen Lebenssituationen ganz neue Stärken entdeckt und neue Werte entwickelt zu haben. Im besten Fall gelingt es uns also, Krisen auch als Chance zu sehen. Diesen Prozess kann man bewusst fördern, indem man darüber nachdenkt, welche neuen Möglichkeiten sich durch eine Krise eröffnen. Auch wenn die kritische Situation vorbei ist, ist es sinnvoll, die vergangene Zeit zu reflektieren. Das kann in Einzelarbeit oder in einer kleinen Gruppe geschehen.
Folgende Überlegungen können dabei helfen:
- Was habe ich Nützliches aus dieser Zeit gelernt?
- Warum könnte ich dankbar für diese Zeit sein? War sie vielleicht gut für mich?
- Welche neuen Stärken habe ich gewonnen? Wie habe ich neues Selbstbewusstsein gewonnen? Wie habe ich mich weiterentwickelt?
- Welche neuen Kontakte habe ich geschlossen?
- Hat sich meine Sicht auf die Welt, haben sich meine Werte verändert?
5.2 Denkfallen vermeiden
Menschen neigen zu bestimmten Denkmustern und Reaktionen, die in einer Krise nicht immer hilfreich sind. Daher ist es gut, diese Denkmechanismen zu kennen, um bewusst gegensteuern zu können.
Denkfalle 1: Falsche Risikoeinschätzung
Menschen sind nicht gut im Einschätzen abstrakter Risiken – das kann zu übertriebener Angst und Panik führen. Auf der anderen Seite können Nachlässigkeit und Unvorsichtigkeit durch Verdrängen des Risikos auftreten. Gerade Risiken, die wir nicht sehen, hören oder fühlen können, wie z. B. Viren, werden als besonders bedrohlich empfunden.
Risiken realistisch ein...