Dipl.-Ing. Matthias Glawe
Unter einer elektrischen Gefährdung versteht man allgemein die Möglichkeit eines Schadens oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung durch das Vorhandensein elektrischer Energie in einer Anlage oder einem Betriebsmittel.
Diese Gefährdungsgruppe lässt sich u. a. im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG in verschiedene Faktoren unterteilen. Dazu gehören Gefährdungen durch elektrischen Schlag, durch Störlichtbogen, durch elektrische, magnetische oder elektromagnetische Felder und durch statische Elektrizität.
Die Gefährdung durch elektrischen Schlag entsteht dadurch, dass ein elektrischer Strom durch den Körper eines Menschen fließen kann. Gesundheitsschäden können durch die Wirkung des elektrischen Stroms entstehen, wenn dieser durch den menschlichen Körper – in Abhängigkeit der Widerstände im Unfallstromkreis und der treibenden Spannung – eine gefährliche Größe annimmt.
Grundsätzlich gilt, dass primär der elektrische Strom und sekundär die elektrische Spannung für die Wirkung auf den Organismus verantwortlich ist.
Die Körperdurchströmung kann bei direkter Berührung von spannungsführenden Teilen unterschiedlichen Potenzials und bei der Annäherung im Hochspannungsbereich erfolgen, wenn die Luftstrecke innerhalb der Gefahrenzone durch einen Vorlichtbogen zwischen spannungsführendem Teil und Mensch überbrückt wird.
Die Wirkung des elektrischen Stroms hängt grundsätzlich ab von
- der Weglänge des Stroms im Körper,
- der Stromstärke,
- der Einwirkungsdauer und
- der Frequenz.
Bei einem ausreichend großen Stromfluss, d. h. einer Überbrückung entsprechend großer Potenzialunterschiede durch den menschlichen Körper, verkrampfen die Muskeln. Handelt es sich dabei um die Muskeln der Hand, kann man einen erfassten Gegenstand nicht mehr loslassen. Muskeln im Brustkorb betreffen die Atmung und es kann Atemstillstand eintreten. Außerdem kann es zu Herzrhythmusstörungen, Herzkammerflimmern oder zu einem Herzstillstand kommen.
50-Hz-Wechselstrom kann in Abhängigkeit von der Stromstärke die in Tab. 1 aufgeführten Wirkungen auf den Menschen haben.
Stromstärke |
Wirkung |
4,0 < I ≤ 5,0 µA |
mit der Zunge wahrnehmbar |
1,0 < I ≤ 1,5 mA |
mit dem Finger wahrnehmbar |
5 < I ≤ 15 mA |
Loslassen des Kontakts gerade noch möglich, Krampfgefühl in den Händen, Blutdrucksteigerung |
15 < I ≤ 25 mA |
Loslassen des Kontakts nicht mehr selbstständig möglich, keine Auswirkung auf die Herzschlagfolge |
25 < I ≤ 30 mA |
noch ertragbare Stromstärke, ohne Bewusstlosigkeit, Herzunregelmäßigkeiten |
I > 50 mA |
zusätzlich Bewusstlosigkeit |
80 < I ≤ 3.000 mA |
Herzkammerflimmern in Abhängigkeit von der Einwirkungsdauer (unter 0,3 s noch kein Herzflimmern) |
I > 3.000 mA |
Herzstillstand, Arrhythmie, Lungenblähung |
Tab. 1: Wirkung von 50-Hz-Wechselstrom in Abhängigkeit von der Stromstärke
Ein elektrischer Schlag kann aber auch zu äußeren und inneren thermischen Schädigungen führen. Dazu zählen Strommarken, innere Verbrennungen, elektrolytische Wirkungen, Flüssigkeitsverluste, Verkochungen, Verbrennungen oder Verblitzen der Augen bei Lichtbögen.
Weitere Wirkungen hoher Ströme sind:
- Schädigung von Muskeln und Knochen (Muskelzug, Brüche, Verrenkungen, Muskel-, Sehnen- und Kapselrisse),
- reversible Herzschädigung (temporäre Änderung der Herzschlagfrequenz),
- Erkrankung des Nervensystems (direkte Durchströmung des Gehirns: funktionelle Störung und Bewusstlosigkeit),
- toxische Schädigung des Nervensystems, Hitzeschäden an Gehirn und Rückenmark durch schwere Verbrennungen entfernter Gebiete (Gedächtnisschwäche, abnormale Müdigkeit, Schwindelanfälle),
- neurologische Ausfälle (Hirnnervausfälle, Störung der Pupillenmotorik, Schluckstörungen, Reflexstörungen, Koordinationsstörungen, epileptische Krampfanfälle),
- spiral-atropische Erkrankungen (Störungen der Motorik und Sensibilität, Querschnittslähmung durch Muskelzug),
- neurologische Ausfälle (vegetative Labilität, Schwindel und Kopfschmerzen, Bewusstseinseintrübung),
- Erkrankung der Augen und Ohren (Linsen- und Glaskörpereintrübung, Ohrensausen, Schwerhörigkeit).
Hinter der Redewendung "einen gewischt bekommen" verbirgt sich ein kurzzeitiger Stromfluss, der ein Muskelzucken auslöst. Hierbei sind es oft die Begleitumstände, die zu schweren oder sogar tödlichen Unfällen führen. Kommt es z. B. zu einem elektrischen Schlag beim Arbeiten auf einer Leiter, kann ein Absturz mit erheblichen Verletzungen für die betroffene Person die Folge sein.