Zusammenfassung
Arbeitsmodelle haben sich in den letzten Jahren für viele Arbeitnehmer radikal verändert. "Klassisches" stationäres Arbeiten im Büro ist vielerorts nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme und Telearbeit bzw. Homeoffice-Modelle sind nicht erst seit der Corona-Pandemie auf dem Vormarsch. Ein Umstand, an den sich viele vielleicht bereits gewöhnt haben, der aber neben Chancen auch Herausforderungen mit sich bringt – insbesondere was die gesunde Balance zwischen Privat- und Berufsleben betrifft. Die individuelle Selbstführungskompetenz wird in diesem Kontext mehr denn je auf die Probe gestellt.
In diesem Beitrag werden die Schlüsselkompetenz Selbstführung beleuchtet, aktuelle Befunde aus der Forschung dargestellt und praxisorientierte Empfehlungen abgeleitet.
1 Begriffliche Erklärungen: Work-Life-Balance/Life-Work-Balance, Selbstführung, Segmentation, Integration
Im Kontext mobiler Arbeitsformen fällt häufig der Begriff Work-Life-Balance. Segmentation vs. Integration und Selbstführung sind weitere zentrale Schlagwörter, die nun zunächst erklärt und abgegrenzt werden sollen.
Work-Life-Balance (WLB)/Life-Work-Balance (LWB)
Unter dem Begriff Work-Life-Balance/Life-Work-Balance wird der Zustand verstanden, in dem sich der private und berufliche Lebensbereich in einer gesunden Balance befinden. Von einer schlechten Work-Life-Balance spricht man dann, wenn die Rollenanforderungen aus dem Beruf den privaten Lebensbereich negativ beeinflussen. Eine schlechte Life-Work-Balance meint im Gegensatz dazu, dass sich die Rollenanforderungen aus dem privaten Bereich negativ auf die berufliche Leistungsfähigkeit auswirken.
Segmentation
Segmentierer sind Personen mit einer persönlichen Präferenz, den beruflichen und den privaten Lebensbereich strikt voneinander zu trennen. Mit einem Vermischen der beiden Lebensbereiche fühlen sie sich unwohl. Klare Grenzen zwischen den Lebensbereichen geben ihnen Struktur und Sicherheit und sie wissen es zu schätzen, sich immer voll dem einen oder dem anderen Lebensbereich verschreiben zu können. "Zwischen den Welten springen" zu müssen, empfinden sie als anstrengend und die Nachteile und Risiken, die durch das Verschwimmen der Grenzen entstehen, stehen für sie gegenüber den Vorteilen klar im Vordergrund.
Integration
Integrierer sind Personen mit einer persönlichen Präferenz, Beruf und Privatleben miteinander zu verbinden. Mit einem Vermischen der beiden Lebensbereiche fühlen sie sich wohl. Sie verstehen sich gut darauf, durch das Integrieren der beiden Lebensbereiche entstehende Vorteile, Chancen und Synergieeffekte zu nutzen und wissen diese zu schätzen.
Selbstführung
Wie gehen wir selbst mit uns um? Wie motivieren wir uns? Wie schaffen wir es, langfristig produktiv und gleichzeitig gesund zu bleiben? Welche Dialoge führen wir im Kopf mit uns selbst? Und wie gut kennen wir uns und haben wir uns selbst, unser Denken, Fühlen und Handeln im Blick? Selbstführung beschreibt einen Prozess der Selbsteinflussnahme, der sich genau auf diese Fragen bezieht. Die Selbstführungskompetenz einer Person ist etwas sehr Individuelles und umfasst eine Reihe von Strategien, die dazu dienen – insbesondere im arbeitsbezogenen Kontext – leistungsfähig und gleichzeitig gesund zu sein und auch langfristig zu bleiben.
2 Neue Erkenntnisse aus der Pandemie-Zeit
2.1 Vor- und Nachteile von Homeoffice
Die Corona-Pandemie führte dazu, dass viele Arbeitnehmer vom einen auf den anderen Tag ins Vollzeit-Homeoffice geschickt wurden. So arbeiten auch heute noch wesentlich mehr Arbeitnehmer von zu Hause aus als jemals zuvor. Die arbeitspsychologische Forschung gelangte durch diese außergewöhnliche Phase zu vielen spannenden neuen Erkenntnissen. Das Arbeiten von zu Hause geht einher mit einigen Vorteilen für die Arbeitnehmer. Häufig genannt werden hier beispielsweise ein Zugewinn an Zeit durch den Wegfall von Pendelzeiten, die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die flexiblere Gestaltung der Arbeitszeiten oder das produktivere Arbeiten durch erleichterte Konzentrationsphasen. Gleichzeitig werden oft auch Nachteile mit der Homeoffice-Tätigkeit in Verbindung gebracht. Beispielsweise der fehlende Kontakt mit Kollegen, der eine Abstimmung erschwert und zu Informationsdefiziten führen kann. Außerdem können die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben verschwimmen und der Zugang zu Unterlagen/Akten/sonstigen Arbeitsmaterialien kann erschwert sein.
Eine aktuelle Studie von Wang und Kollegen (2021) identifiziert Prokrastination ("Aufschieberitis") als eine zusätzliche Herausforderung für im Homeoffice Arbeitende. Auch ein fehlender (zurückgezogener, gut ausgestatteter) Arbeitsplatz und körperliche Beschwerden treten insbesondere jetzt in den Vordergrund, wo klar ist, dass die Arbeit von zu Hause nicht nur kurzfristig und unmittelbar begrenzt ist.
Selbstverständlich ist nicht ein Tag wie der andere und für jeden kurz- oder langfristig im Homeoffice Arbeitenden gibt es Tage, an denen man das Arbeiten von zu Hause mehr oder weniger genießt, und Tage, an denen man mehr oder weniger damit hadert.
Darüber hinaus liegt die Annahme nahe, dass sich Personen mit Segmentierungspräferenz mit dem Vermischen der Lebensbereic...