Prof. Dr. et habil. Marc-André Weber, Prof. Dr.-Ing. habil. Sascha Stowasser
Grundlegend lassen sich Schutzmaßnahmen für Mitarbeiter, die mit kollaborierenden Robotern arbeiten, einteilen nach
- den Schutzvorkehrungen, die der Hersteller kollaborierender Robotersysteme durch technische und softwarespezifische Merkmale vorsieht,
- den Schutzvorkehrungen, die der Betreiber kollaborierender Robotersysteme durch arbeitsorganisatorische und arbeitsgestalterische Maßnahmen trifft,
- den Schutzmaßnahmen, die der Mitarbeiter beachtet und ergreift, wenn er mit dem Roboter kollaboriert.
Nur wenn alle Verantwortlichen – Hersteller, Betreiber und Nutzer – sich ihrer Pflichten sowie den technischen Grenzen der Robotersysteme bewusst sind, kann ein sicherer und erfolgreicher Einsatz gewährleistet werden. Im Folgenden werden diese Anforderungen näher konkretisiert.
2.1 Schutzvorkehrungen durch den Hersteller
Die Hersteller kollaborierender Robotersysteme berücksichtigen in vielfältiger Weise sicherheitskritische Merkmale schon bei der Entwicklung der Systeme. Sie sind bestimmend für die späteren Einsatzmöglichkeiten der Roboter. Hierzu zählen
- Design und äußeres Erscheinungsbild des Roboters,
- technische Begrenzung von Verfahrwegen und Motorkräften sowie
- softwaretechnische Steuerung unter Nutzung von Sensorik.
Beim Design der Roboter setzen die Hersteller auf ›weiche‹ Rundungen. Ohne scharfe Kanten geht von den Roboterarmen ein relativ geringes Gefährdungspotenzial aus. Teilweise werden Schaumstoffe zur Umhüllung eingesetzt, um etwaige Kollisionsschäden weiter zu minimieren. Die Hersteller greifen Empfehlungen aus wissenschaftlichen Untersuchungen auf, etwa Robotergelenke und -bewegungen denen des Menschen entsprechend auszugestalten. Dadurch erscheinen die Bewegungsabläufe des Roboters einem Beschäftigten leichter vertraut und die Akzeptanz des kollaborierenden Roboters als "Kollege" am Arbeitsplatz fällt deutlich besser aus. Schnelle und unvorhersehbare Roboterbewegungen sowie geringe Abstände zu Mitarbeitern verunsichern diese hingegen.
Mit der Anlehnung an ein menschliches Erscheinungsbild geht eine weitere sicherheitskritische Eigenschaft einher: die Begrenzung von Verfahrwegen. Indem kollaborierende Roboter begrenzt sind in ihrer räumlichen Abmessung, werden ihr Aktionsradius und daraus resultierende Gefahren für Menschen verringert. Richtwerte liegen bei 60 cm für Länge, Breite und Höhe der Roboterarme und damit in den Grenzen menschlicher Körpermaße. Damit einher geht, dass die Geschwindigkeit der Roboterbewegungen nicht wesentlich schneller sein sollten als die menschlicher Bewegungsabläufe. D. h., dass ein kollaborierender Roboter ähnlich schnelle Bewegungen vornehmen soll wie ein Mensch, wobei in der Praxis die Bewegungsabläufe der Roboter häufig noch langsamer ausfallen. Empfehlungswerte liegen bei maximal 1,5 m/s. Im Vergleich zu 5 bis 10 m/s als Geschwindigkeit "klassischer" Industrieroboter, die isoliert vom Menschen arbeiten, sind kollaborierende Roboter somit deutlich langsamer. Zudem sind die Roboter selbst mit einem Eigengewicht zwischen 1 bis 30 kg relativ leicht und weisen dadurch eine kleine potenzielle (Eigen-)Kollisionsmasse auf.
Neben den Begrenzungen von Geschwindigkeiten und Verfahrwegen werden bei kollaborierenden Robotern Drehmomente begrenzt, die maximal durch die Motoren des Roboters ausgeübt werden können. Im Allgemeinen sollen keine Drehmomente größer als 15 Nm ausgeübt werden. Liegen die Kräfte darüber, kann der Roboter im Zweifelsfall nicht zuverlässig zwischen kollisions- und arbeitsbedingten Kräften unterscheiden. In diesen Fällen würde eine Gefahr für den Menschen bestehen.
Ein wesentliches Merkmal kollaborierender Robotersysteme ist ihre in Grenzen vorhandene künstliche Intelligenz. Diese zeigt sich in der Lernfähigkeit, z. B. wenn der Werker den Roboterarm an eine bestimmte Stelle führt und dem Roboter somit zu verstehen gibt, er solle an dieser Stelle Bauteile aufgreifen. Sie zeigt sich vor allem aber in der softwarebasierten Kollisionserkennung.
Die sichere Steuerung von Position und Geschwindigkeit des Roboters ist zu gewährleisten, weshalb der Sensortechnik eine zentrale Rolle zukommt. Diese muss den Mensch und seine jeweilige, eventuell sicherheitskritische Situation zuverlässig erkennen und umgehend passende Maßnahmen in Form von Bewegungsabläufen ergreifen. Umgesetzt wird dies etwa durch taktile, kamera- oder ultraschallbasierte Sensorik.
Unter taktiler Sensorik wird eine Technik verstanden, die mechanische Berührungen wahrnimmt, ähnlich dem menschlichen Tastsinn. Kamerabasierte Sensorik orientiert sich an Bildern, was Infrarottechnik einschließt. Ultraschallbasierte Sensorik ist in der Lage, Abstände zu messen. Laser zur Erfassung der Umgebung sind prinzipiell auch geeignet, wenngleich sie weniger zu empfehlen sind, weil sie eine potenzielle Gefährdung für das menschliche Auge darstellen.
Durch die geschilderten Ansätze wird vor allem eine proaktive Steuerung des Roboters ermöglicht. Diese ist mindestens genauso wichtig wie ein zielgerichtetes reaktives Roboterverhalten im Falle einer Kollision.