Tomy Sobetzko, Dr. Rupprecht Maushart
2.1 Was ist Radioaktivität?
Radioaktivität im physikalischen Sinne bezeichnet die Eigenschaft von Atomkernen (z. B. des Elements Radium-226), sich spontan und ohne äußere Beeinflussung in Kerne eines anderen Elementes umzuwandeln und dabei eine Teilchen- oder Wellenstrahlung, die Kernstrahlung, auszusenden. Atomkerne, die diese Eigenschaft besitzen, nennt man Radionuklide. Dieser physikalische Vorgang der Kernumwandlung wird üblicherweise, aber unzutreffend "Zerfall" genannt, im Englischen "decay". Erst bei der Kernspaltung, wie sie in Kernreaktoren abläuft, spricht man zu Recht von "Kernzerfall".
Die – natürliche – Radioaktivität des Urans wurde 1896 von Henri Becquerel in Paris entdeckt. Inzwischen können wir radioaktive Atome in vielfältiger Form auch gezielt künstlich herstellen. Die von radioaktiven Kernen ausgesandte Strahlung ist ein Energieträger. Diese Energie kann, wenn sie wieder in Materie absorbiert wird, Strukturänderungen bewirken. In lebendem Gewebe bedeutet das meist Zellschäden mit negativen Auswirkungen auf den Gesamtorganismus. Damit stellt der Umgang mit Radioaktivität ein potenzielles Gesundheitsrisiko für den Menschen dar (biologische Wirkungen) und erfordert spezifische Schutzmaßnahmen (Abb. 3).
Abb. 3: Was bedeutet "Radioaktivität"?
Summarisch werden Substanzen, die radioaktive Atome enthalten, ebenfalls als radioaktiv bezeichnet. Im heutigen Sprachgebrauch versteht man deshalb unter Radioaktivität meistens einen Stoff oder eine Substanz, die Radionuklide enthält, und spricht dann je nachdem von einer "starken" oder "schwachen" Aktivität. Nach Tschernobyl waren z. B. die Milch und der Salat "radioaktiv".
Umgangssprache
In der Umgangssprache wird für von radioaktiven Nukliden ausgesandte Kernstrahlung häufig, aber physikalisch unkorrekt der Ausdruck "radioaktive Strahlung" gebraucht.
2.2 Arten von Radionukliden
2.2.1 Einteilung der Radionuklide
Man kann die Radionuklide einteilen nach ihrer Herkunft (natürliche oder künstliche Radionuklide) oder nach der von ihnen jeweils ausgesandten Strahlenart. Einen Überblick darüber gibt Tab. 1.
Nach ihrer Herkunft: |
Natürliche Radionuklide als Überbleibsel der Entstehung des Kosmos |
Uran und Folgeprodukte wie Radium, Radon, Polonium; Thorium und Folgeprodukte Kalium-40 (K-40) |
Natürliche Radionuklide, die von der kosmischen Strahlung ständig neu gebildet werden |
Tritium (H-3) Kohlenstoff-14 (C-14) Beryllium-7 (Be-7) |
Künstliche Radionuklide |
Spaltprodukte Neutronen-Aktivierungsprodukte Transurane |
Nach der Strahlenart: |
Alpha-Strahler |
Thorium, Uran, Transurane, manche Uran- und Thorium-Folgeprodukte |
reine Beta-Strahler |
einige Spaltprodukte |
Beta-Gamma-Strahler |
die meisten Spaltprodukte |
reine Gamma-Strahler |
meist Aktivierungsprodukte |
Tab. 1: Schema für die Einteilung der Radionuklide
2.2.2 Natürlich vorkommende Radionuklide
Radionuklide entstanden bereits beim "Urknall", der Entstehung des Universums. Die langlebigen von ihnen mit einigen Milliarden Jahren Halbwertzeit sind noch heute als natürliche "primordiale" Radioaktivität bei uns vorhanden. Im Wesentlichen sind dies das Uran-235 (235U) und -238 (238U) sowie das Thorium-232 (232Th) mit ihren ebenfalls radioaktiven "Nachkommen" oder Tochterprodukten in der zugehörigen Umwandlungskette, wie etwa das Radium-226 (226Ra) oder das radioaktive Edelgas Radon-222 (222Rn).
Außer diesen primordialen Radionukliden gibt es noch andere, weit kurzlebigere Radionuklide wie Wasserstoff-3 (3H, Tritium) oder Kohlenstoff-14 (14C), die durch Umwandlungen an sich stabiler Atomkerne infolge der kosmischen Strahlung in unserer Atmosphäre ständig neu gebildet werden. Zu den natürlich vorkommenden Nukliden gehört auch K-40 (40K) mit einer Halbwertzeit von 1,27 × 109 Jahren, das auch in unserem Körper vorhanden ist.
2.2.3 Künstliche Radionuklide
Seit der Entdeckung der Kernspaltung 1938 durch Hahn und Straßmann in Berlin und der Entwicklung von Teilchenbeschleunigern hat der Mensch gelernt, aus stabilen Atomkernen gezielt und in großen Mengen etwa 400 verschiedene "künstliche" Radionuklide mit Halbwertzeiten von Sekunden bis Jahren herzustellen. Sie werden heute einerseits in Medizin und Forschung als Markierungsquellen ("Tracer") für bestimmte Molekülstrukturen vielfältig eingesetzt. Andererseits benutzt man sie als Strahlenquellen in der Medizin zur Krebstherapie, in der Technik zur Materialprüfung sowie zur Sterilisation, Trinkwasserentkeimung, Lebensmittelbestrahlung und Werkstoffveredelung, sowie in der produktionstechnischen Prozesskontrolle zur berührungsfreien Regelung von Dicke, Dichte, Feuchte und Füllstand.
2.3 Charakteristische Eigenschaften von Radionukliden und der von ihnen ausgesandten Strahlung
2.3.1 Halbwertzeit
Die Umwandlung des einzelnen radioaktiven Atomkerns erfolgt spontan zu einem nicht vorhersehbaren Zeitpunkt. Für eine große Anzahl von Atomkernen des gleichen Radionuklids, z. B. Cäsium-137 (physikalische Schreibweise 137Cs) gibt es jedoch eine genau festliegende und bestimmbare Zeit, nach der die Hälfte aller Atomkerne die Umwandlung vollzogen hat. Diese für das Radionuklid charakteristische Zeit nennt man die Halbwertzeit (HWZ), bei 137Cs z. B. 30 Jahre.
Halbwertszeiten gibt es von Bruchteilen von Sekunden bis viele Jahrmillionen. Das Thorium-Isotop Th-232 z. B. hat eine HWZ...