Tomy Sobetzko, Dr. Rupprecht Maushart
4.1.1 Unfallstatistiken
Gemessen an den Unfallstatistiken des konventionellen Arbeitsschutzes hat der Strahlenschutz am Arbeitsplatz einen sehr hohen Grad an Sicherheit erreicht, was akute Strahlenschädigungen oder gar Todesfälle angeht. Wenn man die Bereiche der Kernwaffentests und -herstellung sowie der Reaktorunfälle wie Tschernobyl oder Fukushima einmal ausklammert, dann bleiben einer IAEA-Aufstellung über einen Zeitraum von 30 Jahren zufolge weltweit pro Jahr rund 10 Fälle von schwerwiegender Strahlenexposition und 1 bis 2 Fälle von akuten Strahlenschäden mit Todesfolge als direkte Opfer von Strahlenunfällen bei der Anwendung von Strahlung und radioaktiven Quellen übrig.
Der Hauptanteil der Schadensfälle betrifft Patienten bei Zwischenfällen mit medizinischen und Therapiestrahlungseinrichtungen und den Missbrauch – wie Diebstahl – von Großquellen. Die Schwerpunkte der Unfälle lagen in Lateinamerika und Asien.
Es wäre sicher nützlich, wie dies z. B. in der Luftfahrt geschieht, Ursachen und Hergang jedes einzelnen Unfalls an einer zentralen Stelle wie der IAEA oder der ICRP genau zu analysieren, um daraus Empfehlungen zur Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen abzuleiten. Hier kann nur ganz pauschal auf einige Schwerpunkte eingegangen werden.
4.1.2 Umgang mit offenen radioaktiven Stoffen
Da ist zunächst der Umgang mit offenen radioaktiven Stoffen im medizinischen Labor und in der Forschung. Hier sind, einfach weil die benutzten Aktivitätsmengen klein sind, offenbar bisher keine wirklich spektakulären Unfälle passiert. D. h. aber nicht, dass die Auswirkungen auch kleiner Zwischenfälle mit offenen Quellen im Labor nicht äußerst unangenehme Folgen haben könnten.
Bei der Anwendung offener Quellen in der Medizin liegt dagegen die Gefährdung, wie die Statistik zeigt, deutlich höher.
4.1.3 Umgang mit Großquellen
Am unfallträchtigsten erwies sich bisher der Umgang mit Großquellen in der Medizin zur Therapie und für industrielle Bestrahlungen. Hier ist das Gefahrenpotenzial ein Dreifaches:
- für das Personal beim Betrieb oder bei der Wartung der Quelle,
- für die Patienten bei unsachgemäßer Anwendung oder technischen Fehlern der Bestrahlungsanlagen,
- für unbeteiligte Angehörige der Bevölkerung bei Beseitigung, Verlust oder Diebstahl der Quelle.
Im letztgenannten Bereich findet man eine Höchstzahl von Betroffenen insgesamt.
Weitere Kategorien sind der Gebrauch von transportablen Quellen zur Material- und Schweißnahtprüfung sowie Quellen für Messverfahren bei der radiometrischen Prozesskontrolle. Bei der Schweißnahtprüfung, die ja meist auf Baustellen und unter verhältnismäßig unkontrollierten äußeren Bedingungen vor sich geht, liegt die Zahl der Todesfälle besonders hoch, wobei allerdings 8 Fälle auf das Konto eines einzigen Unfalls 1984 in Marokko gehen.
4.1.4 Morde und Selbstmorde
Zum Grenzbereich der Unfälle sind sicherlich 2 Selbstmorde mit radioaktiven Quellen zu zählen. Auch der absichtliche und bewusste Diebstahl von radioaktivem Material, dem möglicherweise eine Mordabsicht zugrunde lag, ist schon vorgekommen und hat zu ausgedehnten Kontaminationen im öffentlichen Bereich geführt.