Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst
Zusammenfassung
Zur Beschreibung psychischer Belastungen wird häufig der Begriff "Stress" gebraucht. Er wird unterschiedlich verwendet: Im Alltagssprachgebrauch meint jemand, der "im Stress ist", dass er viel zu tun und wenig Zeit hat. Wer "Stress mit seinem Kollegen" hat, befindet sich in einer Konfliktsituation. Auch in der Wissenschaft gibt es unterschiedliche Stressmodelle. In der Werkstoffkunde beschreibt der Begriff den Zug oder Druck auf ein Material. Je nachdem, welches Modell man zugrunde legt, ergeben sich daraus unterschiedliche Ansätze für Maßnahmen zur Stressvermeidung oder zum Stressabbau.
Das Arbeitsschutzgesetz enthält Bestimmungen, die auf eine Verbesserung der Arbeitsumwelt, der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zielen. Hier sind auch die Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeführt, die den Gesundheitsschutz betreffen. Der Arbeitgeber muss demnach "eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung" erstellen und dann bei Bedarf Maßnahmen des Arbeitsschutzes daraus ableiten und umsetzen (§ 5 Abs. 1 ArbSchG). Dazu gehören gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 6 ausdrücklich auch die "psychischen Belastungen bei der Arbeit". Darüber hinaus verlangt § 3 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsstättenverordnung die Berücksichtigung der psychischen Belastungen bei der Gefährdungsbeurteilung.
1 Stressauslöser und Stressfolgen
Im umgangssprachlichen Gebrauch werden Stressauslöser und Stressreaktionen häufig synonym verwendet: "Ich hatte heute furchtbar viel Stress auf der Arbeit." wird i. Allg. verstanden als ein Leiden unter sehr hohem Arbeitsaufkommen. Sinnvoll ist es jedoch, die Stressauslöser, auch Stressoren genannt, und die Stressreaktion zu trennen. Das Wahrnehmen von Stressoren und die gefühlte Reaktion darauf können von Person zu Person sehr unterschiedlich sein.
Wenn man Stressoren und Stressreaktionen gleichsetzt, ergibt sich daraus eine Erwartungshaltung, sich bei möglicherweise Stress auslösenden Ereignissen auch persönlich gestresst zu fühlen. Es muss aber nicht jeder bei Zeitdruck mit einem Gefühl von Hektik und Getriebensein reagieren, einige Menschen werden dann auch einfach ihren Zeitplan neu ordnen oder Aufgaben delegieren. Es gibt auch unterschiedliche Interventionsansätze, die entweder eher bei den auslösenden Stressoren oder aber bei den individuellen Stressfolgen eines Menschen ansetzen.
Die psychische Leistungsfähigkeit bzw. Belastung der Mitarbeiter wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Die wichtigsten Einflüsse sind:
- Arbeitsaufgabe und -inhalt, z. B. geringer Handlungsspielraum;
- physikalische Arbeitsbedingungen, z. B. Beleuchtung, Klima, Lärm;
- sozialer Kontext und Organisationsbedingungen, z. B. schlechtes Führungsverhalten;
- gesellschaftliche Belastungen, z. B. Arbeitsplatzunsicherheit.
Bei lang andauerndem Stress verändern und verschärfen sich die Stressreaktionen. Es kommt immer wieder vor, dass engagierte Menschen, die immer wieder ihre eigenen Leistungsgrenzen überschreiten, auf diese Weise völlig erschöpfen und "ausbrennen" (Burnout-Syndrom). Häufig bedeutet dies eine massive körperliche, psychische und soziale Erschöpfung. Die Betroffenen brauchen oft sehr lange, bis sie sich von diesem tiefgreifenden Erschöpfungszustand und der oft damit verbundenen Depression erholt haben. Viele Menschen können auch gar nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurückkehren.
2 Stresskonzepte
Die aktuelle Forschung verfolgt ein arbeitspsychologisches Stressmodell, damit sind Vorstellungen vom "positiven" und "negativen" Stress überholt.
Die wichtigsten Stresskonzepte (vgl. Psychische Belastungen) sind:
- Belastungs-Beanspruchungs-Konzept,
- transaktionales Stressmodell,
- arbeitspsychologisches Stressmodell.
2.1 Belastungs-Beanspruchungs-Konzept
Der Begriff der psychischen Belastungen wird allgemein nach der DIN EN ISO 10075-1 definiert. Psychische Belastungen werden verstanden als "die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken." Nach dieser Definition entstehen psychische Belastungen durch objektiv erfassbare Belastungsfaktoren. Die DIN-Norm unterscheidet 4 Gruppen von Anforderungen, die zu Belastungen führen können:
- Arbeitsaufgabe, z. B. deren Dauer und zeitlicher Verlauf;
- physikalische Arbeitsbedingungen, z. B. Beleuchtung, Klima, Lärm;
- sozialer Kontext und Organisationsbedingungen, z. B. Betriebsklima, Zusammenarbeit, Konflikte;
- gesellschaftliche Belastungen, z. B. die wirtschaftliche Lage.
Diese Belastungen können auf den Menschen einwirken und bei ihm zu einer psychischen Beanspruchung führen. Eine psychische Beanspruchung ist nach der DIN-Norm "die unmittelbare (nicht langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden oder augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien".
Psychische Belastungen sind dabei alle äußeren Einflüsse, die auf den Menschen zukommen und auf ihn psychisch einwirken. Die psychische Beanspruchung ist die individuelle Auswirkung de...