(1) Die nationalen Anforderungen an das Containment für den Umgang mit Polioviren erhielten im Juli 2017 mit dem § 50a des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine gesetzliche Grundlage. Damit werden wichtige Elemente des GAPIV umgesetzt. Jedes Labor muss nun der zuständigen Behörde (i.d.R. das lokale Gesundheitsamt) unverzüglich anzeigen, ob es im Besitz von Polioviren ist oder über potenziell infektiöses Material (PIM) verfügt, welches möglicherweise Polioviren enthält. Diese Angaben sind stets aktuell zu halten. Die zuständige Behörde übermittelt die Daten unverzüglich der obersten Landesgesundheitsbehörde, die sie unverzüglich der Geschäftsstelle der Nationalen Kommission für die Polioeradikation beim Robert Koch-Institut weiterleitet.

 

(2) Polioviren des Typ 2 umfassen WPV2, OPV2/nOVP2 und VDPV2, sowie potenziell infektiöses Material (PIM), das möglicherweise Polioviren des Typ 2 enthält. Polioviren des Typ 2 darf nur eine zentrale Einrichtung besitzen, die eine Zulassung für den Besitz von Polioviren hat (sogenannte polio essential facilities, PEF). Ein PEF existiert in Deutschland derzeit nicht, diese sollen nach Ansicht der WHO weltweit auf nur wenige Institute beschränkt sein.

 

(3) Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) wurde mit § 50a des IfSG ermächtigt, das Containment auf Polioviren Typ 1 und 3 auszuweiten, sobald die WHO dies in Abhängigkeit vom Stand der globalen Polioeradikation empfiehlt. Da die Typ-3-Komponente vorerst Bestandteil des bivalenten (Typ 1 und 3) oralen Lebendimpfstoffs (OPV) bleiben wird, liegt der initiale Fokus des Containments auf WPV3-infektiösem Material, Impfstoff-abgeleiteten Polioviren des Typ 3 (VDPV3) und potenziell infektiösem PV3-Material (PIM). Somit sind Tätigkeiten mit diesen Materialien (WPV3 und VDPV3) außerhalb einer zugelassenen zentralen Einrichtung unzulässig. Eine entsprechende Rechtsverordnung für den § 50a des IfSG trat 2021 in Kraft.

 

(4) Das Containment betrifft alle Labore, unabhängig von der Fachrichtung, die humane Materialien insbesondere Stuhlproben, Rachenabstriche und Abwasserproben lagern, die aus geografischen Regionen bzw. Zeiten stammen, in denen WPV (Typ 2 und 3) oder VDPV (Typ 2 und 3) zirkulierten bzw. mit Lebendimpfstoff (OPV2; trivalenter OPV) geimpft wurde, da diese Materialien potenziell Polioviren enthalten können (PIM).

 

(5) Die Diagnostik von Poliovirusinfektionen muss weiterhin gewährleistet sein (Meldepflicht gemäß IfSG § 6 oder § 7). Diagnostische Untersuchungen (PCR, Sequenzierung) sind weiterhin durchführbar. Wird jedoch in einer Probe Poliovirus Typ 2 oder Typ 3 (außer OPV3) nachgewiesen, ist das infektiöse Originalmaterial nach Abschluss der Arbeiten und epidemiologischen Untersuchungen zu vernichten, eventuell begonnene Anzuchtversuche in Zellkultur abzubrechen und das Material zu inaktivieren. Nur bei speziellem Public-Health-Interesse sollte das Material an eine zentrale Einrichtung/PEF gesendet werden. Serologische Tests (z.B. Neutralisationstest) mit Polioviren Typ 2 sind außerhalb von PEFs generell nicht mehr zulässig. Für serologische Tests auf Antikörper gegen Poliovirus Typ 3 darf ausschließlich OPV3 verwendet werden, da die Handhabung und Lagerung von WPV3 und VDPV3 unzulässig ist.

 

(6) Bei begründetem Verdacht auf Poliomyelitis ist das Nationale Referenzzentrum für Poliomyelitis und Enteroviren (NRZ-PE) am RKI frühzeitig zu involvieren.

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