(1) Die mit den Tätigkeiten verbundenen inhalativen (Einatmen), dermalen (Hautkontakt), physikalisch-chemischen (z.B. Brandgefährdung und Explosionsgefährdung) und sonstigen durch den Gefahrstoff bedingten Gefährdungen, wie z.B. durch Temperatur oder Druck sind zu beurteilen.
(2) Bei der Beurteilung der Gefährdung sind auch Gefährdungen durch das Verschlucken von Gefahrstoffen (orale Aufnahme) zu berücksichtigen, wenn die Möglichkeit dieser Gefährdung bei den zu beurteilenden Tätigkeiten nicht ausgeschlossen werden kann. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn mit verschmutzten Händen oder Schutzhandschuhen in das Gesicht gegriffen wird. Zu berücksichtigen ist auch eine mögliche Kontamination von Pausenverpflegung und verwendeten Arbeitsmitteln durch unzureichende Hygiene.
(3) Die Gefährdungsbeurteilung ist Grundlage für die Festlegung von Schutzmaßnahmen, welche die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten und anderer Personen bei allen Tätigkeiten mit Gefahrstoffen gewährleisten müssen. Die Allgemeinen Schutzmaßnahmen nach § 8 GefStoffV sind dabei immer zu berücksichtigen.
(4) Die Beurteilung muss so durchgeführt und dokumentiert werden, dass die getroffenen Entscheidungen nachvollziehbar sind. Ein Vorschlag für eine systematische Vorgehensweise ist in Anhang 1 dargestellt.
(5) Zur Unterstützung bei der Gefährdungsbeurteilung einschließlich Festlegung der Maßnahmen können Handlungsempfehlungen oder Hilfestellungen Dritter oder gleichwertige Dokumente und Berichte verwendet werden. Dies können z.B. sein:
1. |
stoff- oder tätigkeitsbezogene TRGS, |
2. |
verfahrens- und stoffspezifische Kriterien nach TRGS 420 "Verfahrens- und stoffspezifische Kriterien (VSK) für die Ermittlung und Beurteilung der inhalativen Exposition", |
3. |
branchen- oder tätigkeitspezifische Handlungsempfehlungen oder |
4. |
vorhandene Gefährdungsbeurteilungen Dritter (oder Teile davon). |
(6) Stoff- oder tätigkeitsbezogene TRGS sowie VSK, die in einer TRGS bekannt gemacht werden, kann der Arbeitgeber unter den Maßgaben der entsprechenden TRGS oder VSK unmittelbar anwenden, wenn die zu beurteilenden Tätigkeiten und Gefährdungen dort beschrieben sind. In diesem Fall kann der Arbeitgeber bei den beschriebenen Tätigkeiten von einer Einhaltung der GefStoffV ausgehen, wenn er die dort beschriebenen Maßnahmen umsetzt. Wird von den Vorgaben einer TRGS abgewichen, so ist dies in der Gefährdungsbeurteilung zu begründen und zu dokumentieren. Die vorgenommenen Maßnahmen müssen in vergleichbarer Weise den Schutz und die Sicherheit der Beschäftigten gewährleisten. Treten neben den in einer TRGS oder einem VSK beschriebenen Gefährdungen noch weitere auf, ist die Gefährdungsbeurteilung zu ergänzen. Der Anwendungsbereich der VSK oder TRGS ist zu beachten.
(7) Werden branchen- oder tätigkeitsbezogene Handlungsempfehlungen oder vorhandene Gefährdungsbeurteilungen herangezogen, ist ihre Anwendbarkeit anhand der Kriterien aus Anhang 2 zu prüfen. Hierbei hat der Arbeitgeber:
1. |
ggf. fehlende einzelne Angaben eigenständig zu ermitteln und bei der Festlegung der Maßnahmen zu berücksichtigen (siehe auch Anhang 2), |
2. |
die Gefährdungsbeurteilung im Hinblick auf ggf. nicht beschriebene Betriebszustände nach Nummer 5.4 Absatz 1 zu ergänzen. |
(8) Wird die Gefährdungsbeurteilung unter Verwendung von Handlungsempfehlungen erstellt, entbindet dies nicht:
1. |
vom Vorhalten aktueller Sicherheitsdatenblätter, |
2. |
vom Führen des Gefahrstoffverzeichnisses, |
3. |
von der Erstellung von Betriebsanweisungen, der Unterweisung und der arbeitsmedizinisch-toxikologischen Beratung (TRGS 555 "Betriebsanweisung und Information der Beschäftigten"), |
4. |
von den erforderlichen Vorkehrungen für Betriebsstörungen, Unfälle, und Notfälle, |
5. |
von erforderlichen Maßnahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge, |
6. |
von der Festlegung und Kontrolle, dass die Schutzmaßnahmen vorhanden, funktionsfähig und wirksam sind (siehe auch Nummer 7) und |
7. |
von der Dokumentation. |
Ausnahmen gelten für Tätigkeiten mit geringer Gefährdung nach Nummer 6.2.
(9) Bedingungen zur sicheren Verwendung für "Besonders besorgniserregende Stoffe" (SVHC), die sich aus der REACH-Verordnung Anhang XIV (Zulassungsverfahren) sowie für Stoffe aus Anhang XVII (Verwendungsbeschränkungen) ergeben, sind in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. Informationen dazu sind in Abschnitt 15 des Sicherheitsdatenblattes zu finden.
(10) Bei der Verwendung von Biozidprodukten sind die in der Zulassung genannten Auflagen zu beachten. Hinweise des Herstellers sind im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. Dabei sind insbesondere die betrieblichen Besonderheiten (Zeitdauern, Arbeitsumgebungen, usw.), die bei der abstrakten Bewertung im Zulassungsverfahren nicht berücksichtigt wurden, zu beurteilen.