(1) Die gesundheitsgefährdende Wirkung der Isocyanate, ihre Verarbeitungsmenge bzw. Konzentration im Gemisch, ihr temperaturabhängiger Dampfdruck sowie Aerosolbildung bestimmen die möglichen Gefährdungen für den Expositionspfad Atemwege. Monomere Isocyanate können als gasförmige Emissionen und als Rekondensationsaerosole nach Abkühlung heißer gasförmiger Emissionen auftreten. Polymere Isocyanate haben einen so geringen Dampfdruck, dass sie nicht zu einem nennenswerten Anteil in der Gasphase führen. Allerdings können polymere Isocyanate bei Aerosolbildung in einatembarer Form in die Atemluft gelangen. In diesem Fall müssen neben den monomeren auch die polymeren Isocyanate bei der Ermittlung berücksichtigt werden. Aus der Vielfalt der Anwendungen ergibt sich folgende expositionsbezogene Einteilung der Verfahren:
1. |
Gasförmige Emissionen ohne erhöhte Temperaturen, |
2. |
Gasförmige Emissionen unter Verwendung oder Entstehung von Wärme (70 °C – 250 °C) oder bei der thermischen Zersetzung von Polyurethanen [8] und |
3. |
Verfahren unter Verwendung bzw. mit Bildung von Aerosolen (Sprühverfahren und Rekondensationsaerosole). |
(2) Geringe Gefährdungen: Polymere haben in der Regel bei Raumtemperatur einen sehr geringen Dampfdruck. Dies gilt auch für einige monomere Isocyanate. Falls sie nicht als Aerosol eingesetzt oder als staubbildendes Pulver vorliegen oder einer Erwärmung unterliegen, führen sie in der Regel zu einer geringen Exposition und damit Gefährdung. Typische Beispiele hierfür sind Produkte auf Basis von MDI, p-MDI. Dies gilt in der Regel auch für polymere Isocyanate mit einem Monomerengehalt unter < 0,1 %, die speziell für höhere Verarbeitungstemperaturen entwickelt wurden. Typische Beispiel hierfür sind bestimmte emissionsarme Schmelzklebstoffe [9].
(3) Sind zum Schutz der Beschäftigten technische Schutzmaßnahmen, persönliche Schutzausrüstungen oder Unterweisungen an Hand von Betriebsanweisungen vorgesehen, liegen keine geringen Gefährdungen vor. Dies gilt auch, wenn mit erhöhten Expositionen bei Nebenarbeiten wie z. B. Reinigungsarbeiten zu rechnen ist, bei Tätigkeiten in engen Räumen oder Behältern oder bei erhöhten Brand- und Explosionsgefährdungen nach Absatz 6.
(4) Mittlere Gefährdungen: Eine mittlere Gefährdung kann bei vielen Tätigkeiten mit Isocyanaten vorliegen. Dies sind z. B. Tätigkeiten mit MDI oder p-MDI unter Erwärmung (auch durch Reaktionswärme). Diese Stoffe sind typischerweise mit dem H-Satz H332 gekennzeichnet. Zu den mittleren Gefährdungen gehören auch Anwendungen mit polymeren Isocyanaten, bei denen Aerosole auftreten können (Spritzapplikationen, Folienkaschierung, Stäube bei der Nachbearbeitung).
(5) (5) Hohe Gefährdungen: Eine hohe Gefährdung kann bei vielen Anwendungen mit Isocyanaten vorliegen, welche mit den H-Sätzen H330 oder H331 gekennzeichnet sind. Dies sind z. B. Tätigkeiten mit TDI, IPDI und HDI oder solche, bei denen die im Absatz 3 genannten monomeren Isocyanate in Folge einer Aerosolbildung oder Erwärmung in hohen Konzentrationen in die Atemluft gelangen.
(6) Das Vorliegen einer geringen Gefährdung nach Absatz 2 kann bei PU-Systemen durch stationäre worst-case-Messungen validiert werden. Die Probenahme erfolgt dabei in unmittelbarer Nähe der möglichen Emissionsquellen. Faktoren wie eine rasch einsetzende Oberflächenhärtung ("Hautbildung"), gute Wärmeableitung, geringe Verarbeitungsmengen, kleine Oberflächen und gute Lüftungsbedingungen bewirken, dass in diesem Fall Messwerte unterhalb der Bestimmungsgrenze erhalten werden. Ergänzend sind Messungen im umgebenden räumlichen Bereich nach Verarbeitung der Hauptmenge der Isocyanate durchzuführen, da sich Isocyanate in Räumen anreichern können. Ändern sich die o. g. Faktoren wesentlich, so kann eine erneute Ermittlung erforderlich werden.
(7) Die nach Abschnitt 3.2 Absatz 1 ermittelten Brand- und Explosionsgefährdungen werden unabhängig von den anderen Gefährdungen ermittelt. Wird dabei, etwa durch Einsatz entzündlicher Hilfsstoffe, eine erhöhte Brand- oder Explosionsgefährdung festgestellt, liegt keine geringe Gefährdung vor. Weitere Hinweise finden sich in der Arbeitsstättenrichtlinie ASR 2.2 "Brandschutz" [10] und im Handbuch Gefährdungsbeurteilung [5].