3.1 Gefährdungsbeurteilung
(1) Die Vorgehensweise zur Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung nach § 6 GefStoffV ist in der TRGS 400 "Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen" beschrieben. Im Folgenden werden die in der Gefahrstoffverordnung und der TRGS 400 beschriebenen grundlegenden Schritte der Gefährdungsbeurteilung ergänzt für den Anwendungsbereich dieser TRGS.
(2) Vor Aufnahme der Tätigkeit mit gefährlichen Abfällen hat der Arbeitgeber nach § 6 GefStoffV die mit der Tätigkeit verbundenen Gefährdungen zu ermitteln (Art, Ausmaß, Dauer der Exposition) und zu beurteilen sowie die erforderlichen Schutzmaßnahmen festzulegen. Das Ergebnis der Ermittlung und der Beurteilung ist schriftlich zu dokumentieren. Bei den Tätigkeiten im Sinne dieser TRGS handelt es sich nicht um Tätigkeiten mit geringer Gefährdung nach § 6 Absatz 13 GefStoffV.
(3) Beurteilungsgrundlage sind die mit den Tätigkeiten verbundenen inhalativen (durch Einatmen), dermalen (durch Hautkontakt), oralen (durch Verschlucken) und physikalisch-chemischen Gefährdungen (z. B. Brand- und Explosionsgefährdungen) sowie der sonstigen durch Gefahrstoffe bedingten Gefährdungen. Auch die Gefährdung der Augen, zum Beispiel durch ätzende und reizende Stoffe, ist zu berücksichtigen.
(4) Gefährdungen durch Gefahrstoffe können bei technischen Mängeln wie zum Beispiel schadhaften Behältern, fehlender oder defekter Absaugung, durch organisatorische Mängel wie zum Beispiel fehlende Unterweisungen oder durch unzureichende persönliche Schutzmaßnahmen wie zum Beispiel ungeeignete PSA auftreten.
(5) Angelieferte Abfälle enthalten regelmäßig Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 1, 2 oder 3, spezifisch zielorgantoxisch Kategorie 1, krebserzeugend Kategorie 1A oder 1B, keimzellmutagen Kategorie 1A oder 1B, reproduktionstoxisch Kategorie 1A oder 1B oder als atemwegssensibilisierend eingestuft sind. Da angelieferte Abfälle darüber hinaus oftmals nicht ausreichend, nicht korrekt oder gar nicht gekennzeichnet sind oder in ungeeigneten Gebinden angeliefert werden, sind Tätigkeiten bei der Annahme und Sortierung durch fachkundige Personen auszuführen, siehe hierzu Abschnitt 4.
(6) Die Einstufung von Abfällen erfolgt nach TRGS 201 "Einstufung und Kennzeichnung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen" Abschnitt 4.6 Abfälle. In Abhängigkeit von den ermittelten Eigenschaften der Abfälle sind entsprechend geeignete Schutzmaßnahmen festzulegen.
(7) Bei der Gefährdungsbeurteilung hat der Arbeitgeber nach Informationsgewinnung der relevanten physikalisch-chemischen Daten auch zu ermitteln, ob die Tätigkeiten mit gefährlichen Abfällen aufgrund deren Eigenschaften zu Brand- oder Explosionsgefährdungen führen können durch
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brennbare feste, flüssige oder gasförmige Stoffe, |
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Stoffe, die exotherm reagieren, oder |
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Stoffe, die sich selbst zersetzen können. |
(8) Die Gefährdungsbeurteilung umfasst auch die Auswahl der vorzuhaltenden Mittel zur Ersten Hilfe.
(9) In den Sammelstellen und Zwischenlagern liegt ein Schwerpunkt der durchzuführenden Gefährdungsbeurteilung auf den Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, insbesondere dem Annehmen, Identifizieren und Verpacken gefährlicher Abfälle. Daneben können weitere Gefährdungen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Sammelstelle auftreten (z. B. Fahrzeugverkehr, Stolpergefahren, spitze Gegenstände, besondere Wetterlagen wie Hitze oder Frost). Auch Gefährdungen durch unbeabsichtigte Zerstörung von Gegenständen, Anliefer- oder Sammelbehältern (z. B. durch Herabfallen) und die daraus resultierenden Schutzmaßnahmen/Notfallmaßnahmen sind zu berücksichtigen (siehe auch Abschnitt 5.6.11 Alarmplan). Bereits vorliegende Ermittlungsergebnisse aus dem Anwendungsbereich anderer staatlicher Arbeitsschutzvorschriften (z. B. der Betriebssicherheitsverordnung) sollen mit in die Gefährdungsbeurteilung einfließen. Unter Berücksichtigung dieser Gefährdungen sind Schutzmaßnahmen je nach Arbeitsbereich festzulegen und ihre Wirksamkeit zu prüfen.
(10) Bei der Gefährdungsbeurteilung sind mögliche psychische Belastungen der Beschäftigten, zum Beispiel durch das Verhalten von anliefernden Kunden, zu berücksichtigen. Auch im Zusammenhang mit angelieferten Abfällen mit unbekanntem Gefährdungspotenzial und ggf. schon erkennbarem Materialaustritt wegen ungeeigneter Verpackung, oder wegen vermuteter Explosionsgefahr sind psychische Aspekte zu berücksichtigen.
(11) Die Gefährdungsbeurteilung ist regelmäßig zu überprüfen. Bei jeder wesentlichen Änderung, die sich auf die Gefährdung der Beschäftigten auswirken kann (z. B. Änderung der betrieblichen Bedingungen, andere Einstufung der Gefahrstoffe), ist die Beurteilung zu aktualisieren und die Schutzmaßnahmen sind ggf. entsprechend anzupassen. Dies kann außerdem bei neuen arbeitswissenschaftlichen oder medizinischen Erkenntnissen, Arbeitsunfällen und Beinahe-Unfällen erforderlich sein.
(12) Die Gefährdungsbeurteilung darf nur von fachkundigen Personen durchgeführt werden. Verfügt der Arbeitgeber nicht selbst über die entspreche...