Meist werden Fehlentscheidungen oder Fehlhandlungen vom Handelnden als Fehler wahrgenommen. Es gibt jedoch auch Verhaltensweisen, die unabsichtlich oder absichtlich ausgeführt werden: Regelverstöße und Sabotage. Regelverstöße sind Abweichungen von (Verfahrens-)Vorschriften und resultieren entweder aus unabsichtlichem Fehlverhalten (wie z. B. dem richtigen Vorgehen zur falschen Zeit) oder einem falschen Vorgehen aus Unwissenheit.
Selbst absichtliche Regelverstöße müssen nicht unbedingt zum Ziel haben, einen Unfall herbeizuführen (außer im Fall von Sabotage). Sie können auch dazu benutzt werden, persönliche oder arbeitsbezogene Ziele zu erreichen. Persönliche Ziele sind z. B. das Bedürfnis, eine Zigarette zu rauchen oder als cooler Typ in der Gruppe wahrgenommen zu werden. Der Preis dafür ist unter Umständen schnelleres Arbeiten zulasten der Arbeitssicherheit.
Arbeitsbezogene Ziele können Bequemlichkeit sein, aber auch die Vermeidung von Auseinandersetzungen mit dem Vorgesetzten oder mit Kollegen, wie nachfolgendes Beispiel zeigt.
Störung an der Anlage
Herr Klein bemerkt eine Störung am Beförderungsband in der Maschinenhalle. Gemäß Vorschrift muss er die Anlage stilllegen und auf den Mechaniker warten. Da dieses Problem in der Vergangenheit schon öfters aufgetreten ist und er weiß, dass die Störung einfach zu beheben ist, indem nur der eine Schalter umgelegt wird, will er schnell über das Band klettern. Doch Herr Klein stolpert und stürzt über das Band mit dem Kopf auf den Beton.
Herr Klein hat mit seiner Entscheidung arbeitsbezogene Ziele umsetzen wollen: Der Stillstand des Bandes hätte zu einer Verzögerung der Produktion geführt, die aufgrund von Lieferengpässen ohnehin schon im Verzug war. Der Produktionsleiter ist bekannt dafür, dass er Störungen nur ungern duldet und für ihn die Sicherheit nach der Schnelligkeit rangiert. Unter diesen Voraussetzungen traf Herr Klein eine richtige falsche Entscheidung.
Hat sich ein Unfall ereignet, wird meist dem Mitarbeitenden die Schuld gegeben: "Warum hast Du Dich nicht an die Vorschriften gehalten!" Dies ist eine gefährliche Frage, denn sie bringt die Arbeitssicherheit nicht weiter. Es wird ein Schuldiger ausgemacht, der zwar einen Beinahe-Unfall oder einen Unfall herbeigeführt hat, sein Handeln oder seine Entscheidung aber nach seinen Erfahrungen, seinem Wissen und seiner Kenntnis der impliziten Regeln im Betrieb ausgerichtet hat. Zielführender als die Aussage: "Sie haben sich nicht an die Vorschriften gehalten!" ist die Frage: "Was ist der Grund dafür, dass sich der Mitarbeiter nicht an die Vorschriften gehalten hat?"