Es gibt bewährte und neue Konzepte, die präventiv wirksam sind und im Interventionsfall angewendet werden können.
9.1 Prävention
9.1.1 Ermittlung arbeitsbedingter psychischer Belastungen in der Gefährdungsbeurteilung
Auf die Bedeutung der psychischen Belastungen im Arbeitsleben wurde mit 2 Präzisierungen im Arbeitsschutzgesetz im Jahr 2013 hingewiesen. Psychische Belastungen können, wie erwähnt, die Ausbildung psychischer Störungen begünstigen.
Neben der allgemeinen Forderung, die Arbeit beanspruchungsoptimal, gesundheits- und persönlichkeitsfördernd für die Mitarbeiter zu gestalten, wird in § 4 ArbSchG verlangt, …. "dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit (neu) möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird". Die Beurteilung der Gefährdung für die Beschäftigten in Zusammenhang mit ihrer Arbeit wurde in § 5 ArbSchG explizit ergänzt durch einen Punkt 6 in Abs. 3 "Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch psychische Belastungen bei der Arbeit".
Psychische Belastungen sind keine psychischen Störungen
Psychische Störungen werden oft mit psychischen Belastungen verwechselt. Belastungen aus den Arbeitsbedingungen führen nicht zwangsläufig zu einer psychischen Störung. Es besteht keine kausale Beziehung zwischen dauerhafter Überforderung eines Beschäftigten und einer möglichen psychischen Erkrankung, aber ein korrelativer Zusammenhang: das heißt, die Wahrscheinlichkeit steigt, nicht nur körperlich, sondern auch psychisch zu erkranken, wenn die Arbeit nicht gesundheitszuträglich gestaltet ist. Das verdeutlicht noch einmal die Wichtigkeit der Ermittlung psychischer Belastungen in der Gefährdungsbeurteilung
9.1.2 Gestaltung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen
Aus der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ergeben sich Hinweise für die Gestaltung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen. Der Kanon "guter", d. h. gesunderhaltender, Arbeitsbedingungen reicht von ausreichendem Handlungs- und Entscheidungsspielraum bei der Aufgabenrealisierung über Vermeidung von Unter- oder Überforderung, ausreichend Vertretungspersonal im Krankheits- oder Urlaubsfall, ein Arbeitsklima, in dem man sich wohlfühlen kann, bis hin zu gerechter Entlohnung.
9.1.3 Angemessenes Führungsverhalten
Ein wesentlicher Aspekt gesundheitserhaltender Arbeitsbedingungen ist das Führungsverhalten. Vorgesetzte haben großen Einfluss auf das Befinden ihrer Beschäftigten und sollten sich in ihrem Verhalten dessen immer bewusst sein. Berechenbarkeit, Verantwortungsübernahme, konstruktive Rückmeldungen über geleistete Arbeit, Unterstützung der Beschäftigten bei ihrer Arbeit sowie ein freundlicher, wertschätzender Umgang miteinander sind nur einige Aspekte "guten" Führungsverhaltens.
9.1.4 Mitarbeitergespräche
Um frühzeitig Über- oder Unterforderungen der Mitarbeitenden in Erfahrung zu bringen, empfiehlt es sich, Mitarbeitergespräche jenseits der Arbeitsroutinen zu führen. In diesen einmal jährlich stattfindenden strukturierten Gesprächen werden wichtige Aspekte der Arbeit und der Zusammenarbeit besprochen. Natürlich finden Mitarbeitergespräche auch anlassbezogen statt.
9.1.5 Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)
Mit einem klug konzipierten BGM kann die physische und psychische Gesundheit der Beschäftigten erhalten und gefördert werden. Mit einem Bündel von Maßnahmen auf der Verhältnis- und der Verhaltensseite werden die Arbeitsbedingungen gesundheitsförderlich gestaltet und die Ressourcen der Mitarbeiter gestärkt.
9.2 Intervention
Interventionsmaßnahmen nach einer physischen oder psychischen Erkrankung sind:
9.2.1 Krankenrückkehrgespräche
Bei Krankenrückkehrgesprächen handelt es sich um Gespräche, welche die direkte Führungskraft mit den Mitarbeitenden nach längerer Krankheitsdauer führt. Mit dem Gespräch sollen etwaige betriebliche Gründe, die zur Erkrankung führten, in Erfahrung gebracht werden. Krankenrückkehrgespräche können standardisiert, teilstandardisiert oder in völlig offener Form durchgeführt werden und sind eine eigenständige Maßnahme oder eine Maßnahme im Rahmen des BEM.
Durchführung von Krankenrückkehrgesprächen
- Der Arbeitgeber ist zu Krankenrückkehrgesprächen rechtlich nicht verpflichtet.
- Sind diese Gespräche betrieblich geregelt, muss der Mitarbeitende daran teilnehmen.
- Bei betrieblich geregelten Krankenrückkehrgesprächen darf der Arbeitnehmer die Interessenvertretung hinzuziehen.
9.2.2 Betriebliches Eingliederungsmanagement
Die gesetzliche Grundlage für das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist § 167 Abs. 2 SGB IX. Demnach sind Unternehmen verpflichtet, für Beschäftigte, die in einem Zeitraum von 12 Monaten länger als 6 Wochen (= 42 Tage) ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren, ein BEM durchzuführen.
Dies umfasst alle Maßnahmen, mit denen eine Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann. Für den Mitarbeitenden ist eine angemessene Beschäftigungsmöglichkeit zu finden. Ggf. sind benötigte Hilfsmittel und Unterstützungsangebote anzubieten. Finanzielle Unterstützung gibt es – abhängig vom Einzelfall – von den Sozialkassen.
BEM ist ein systematisches Verfahren mit festgelegten Abläufen und trotzdem flexibel in Bezug auf den einzugliedernden Mitarbeiter und die betriebsspezifischen Gegebenheiten.
Durchführung des BEM
- Durchführung des BEM obliegt dem Arbeitgeber im Rahmen seine...