Prof. Dr. Rainer von Kiparski †, Andreas Lott
Zusammenfassung
Das Inkrafttreten der Arbeitsmittelbenutzungsverordnung am 1. April 1997 markierte einen wesentlichen Wendepunkt in der sicherheitstechnischen Beurteilung von bereits im Betrieb benutzten älteren Arbeitsmitteln. Mit dieser Verordnung wurden erstmals flächendeckend sicherheitstechnische Nachrüstungen nach den Anforderungen des Anhangs der Arbeitsmittelverordnung gefordert, und zwar bis zum 30. Juni 1998. Diese Anforderungen wurden auch in die Betriebssicherheitsverordnung übernommen und teilweise noch ausgeweitet. Die Betriebssicherheitsverordnung ersetzt somit die Arbeitsmittelbenutzungsverordnung und übernimmt und erweitert deren Anforderungen an die sicherheitstechnische Nachrüstung von Arbeitsmitteln (Anhang 1 "Besondere Vorschriften für bestimmte Arbeitsmittel").
Da gerade im Bereich der kleinen und mittelständischen Unternehmen die Anforderungen an die sicherheitstechnische Nachrüstung von Alt-Arbeitsmitteln bisher weitestgehend ignoriert oder doch zumindest nicht vollständig umgesetzt wurden, sollen in diesem Beitrag die entsprechenden Anforderungen nochmals kommentiert und anhand von Beispielen erläutert werden.
Außerdem wird eine in der Praxis bewährte Vorgehensweise für die Umsetzung der Anforderungen des Anhang 1 der Betriebssicherheitsverordnung vorgestellt. Diese beruht zunächst auf einer umfassenden Bestandsaufnahme im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung. Hierzu wird eine modular aufgebaute Checkliste verwendet, die einen Überblick über alle Anforderungen des Anhang 1 BetrSichV bietet. Die Realisierung der Maßnahmen erfordert normalerweise einen Stufenplan, da schon aus finanziellen Gründen nicht alle Maßnahmen sofort umgesetzt werden können. Anhand einer einfachen Bewertungsmatrix und Einordnung der Maßnahmen in eine von drei Dringlichkeitsgruppen wird sichergestellt, dass bei der Umsetzung der Maßnahmen zuerst die Anforderungen mit der größten Unfallgefährdung abgearbeitet werden.
1 Anforderungen der Betriebssicherheitsverordnung
1.1 Anforderungen an die Beschaffenheit der Arbeitsmittel
Die entsprechenden Anforderungen sind im § 5 BetrSichV zusammengefasst.
Auf die ebenfalls festgelegten Prüfvorschriften für überwachungsbedürftige Anlagen (Anhang 2) wird im Rahmen dieses Beitrags nicht weiter eingegangen.
Außerdem wird klargestellt, dass die hier festgelegten Anforderungen nicht nur für den Zeitpunkt der erstmaligen Bereitstellung gelten, sondern über die gesamte Benutzungsdauer sichergestellt werden müssen.
1.2 Konkretisierung der Anforderungen an zur Verfügung gestellte Arbeitsmittel
Die Konkretisierung der Anforderungen von § 5 und 6 BetrSichV erfolgt im Anhang 1 "Besondere Vorschriften für bestimmte Arbeitsmittel". Dieser Anhang ist nochmals unterteilt in folgende Unterabschnitte:
- Besondere Vorschriften für die Verwendung von mobilen, selbstfahrenden oder nicht selbstfahrenden, Arbeitsmitteln
- Besondere Vorschriften für die Verwendung von Arbeitsmitteln zum Heben von Lasten
- Besondere Vorschriften für die Verwendung von Arbeitsmitteln bei zeitweiligen Arbeiten auf hoch gelegenen Arbeitsplätzen
Dokumentation erforderlich
Sollten Ausnahmeregelungen in Anspruch genommen werden, ist eine umfassende Dokumentation des Sachverhaltes und eine Abstimmung mit den innerbetrieblichen Fachkräften für Arbeitssicherheit zwingend erforderlich.
Eine Entscheidung des Verantwortlichen ohne entsprechende lückenlose Dokumentation mit Begründung der Entscheidungsfindung wird von den Überwachungsbehörden nicht anerkannt und kann zu behördlichen Sanktionen führen.
2 Beispiele für die Umsetzung der Anforderungen
Aus der bisherigen Erfahrung bei der Nachrüstung von Alt-Arbeitsmitteln werden nachfolgend die Punkte des Anforderungskataloges beispielhaft dargestellt, die in der Praxis relativ häufig vorkommen und Nachrüstungen erfordern.
Gleichartige Arbeitsmittel
Bei der Betrachtung der nachzurüstenden Arbeitsmittel lohnt sich ein Blick auf gleichartige, nach 1995 gebaute Arbeitsmittel und deren sicherheitstechnischen Bestandteile.
Speziell im Bereich Zugang zu Gefahrenbereichen und Ausstattung mit Not-Aus-Tastern kann das neue, nach Maschinenrichtlinie und den einschlägigen aktuellen Sicherheitsnormen gebaute Arbeitsmittel als Referenz für die Nachrüstung der Alt-Arbeitsmittel dienen.
2.1 Ingangsetzen eines Arbeitsmittels
- Es muss mindestens einen Schalter geben, mit dem das Arbeitsmittel eingeschaltet werden kann.
- Ein Wiederanlauf nach einem Stillstand (z. B. Stromausfall) darf nicht erfolgen, wenn sich daraus eine Gefährdung für die Beschäftigten ergibt.
Diese Anforderung richtet sich an alle Arbeitsmittel, die nur über einen Netzschalter verfügen. Speziell bei Netzausfall und der nachfolgenden Netzwiederkehr erfolgt bei eingeschaltetem Arbeitsmittel ein Wiederanlauf, der insbesondere bei folgenden Arbeitsmitteln mit einer Gefährdung der Beschäftigten verbunden sein kann (vgl. Abb. 1):
- Ständerbohrmaschinen,
- Schleifmaschinen,
- Sägemaschinen,
- Drehmaschinen
- Fräsmaschinen.
Die sicherheitstechnische Nachrüstung dieser und ähnlicher Arbeitsmittel erfordert den Einbau eines Netzschalters mit Unterspannungsauslösung oder alternativ den Anbau eines Motorschutzschalters bzw. Fehlerstromschutzschalters mit Unterspannungsauslösung.
Arbeitsmittel, die neben dem Netzschalter über eine ...