Zusammenfassung
Ereignen sich trotz Prävention Arbeits- oder Wegeunfälle, sollten sie genutzt werden, um daraus zu lernen. Die Unfallanalyse erfolgt i. Allg. in 6 Schritten und ermöglicht, die Ursachen zu erkennen, Lösungen zu finden und einen Maßnahmenplan zu erstellen. Aus Beinaheunfällen können Unternehmen und Beschäftigte gefahrlos lernen. Wichtige Kennzahlen im betrieblichen Unfallgeschehen sind u. a. Unfallhäufigkeiten, Unfallarten, Arten der Verletzung, AU-Tage pro 1.000 Beschäftigte.
1 Unfallarten
1.1 Beinaheunfall
Beim Beinaheunfall (near miss) entstehen keine schwerwiegenden Personen- oder Sachschäden, sie hätten jedoch passieren können. Aus Beinaheunfällen können Unternehmen und Beschäftigte gefahrlos lernen.
Gefahrlos lernen aus Beinaheunfällen
Es empfiehlt sich, Beinaheunfälle zu sammeln (z. B. in Form einer Excel-Liste oder geeigneter Software für SGA-Vorfälle) und in der Arbeitsschutzausschuss-Sitzung zu besprechen. Unter der Fragestellung: "Was können wir daraus lernen?" liefern Beinaheunfälle wichtige Hinweise auf Gefährdungen und ermöglichen Verbesserungsmaßnahmen für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten. Wichtig ist dafür eine Unternehmenskultur, die Fehler nicht verurteilt, sondern als Chance zur fortlaufenden Verbesserung betrachtet.
Unsichere Zustände und Handlungen
Unsichere Zustände und Handlungen gehören dagegen nicht zu den Beinaheunfällen. Unsichere Zustände sind z. B. technische Mängel im System oder unzureichendes oder fehlerhaftes Werkzeug. Unsichere Handlungen erfolgen, wenn Beschäftigten die entsprechenden Kenntnisse fehlen oder sie sich widersprechende Ziele erfüllen sollen. Aus unsicheren Zuständen und Handlungen könnte ein Schaden entstehen, wenn keine Abhilfe geschaffen wird.
1.2 Arbeitsunfall
Wenn eine versicherte Person bei einer versicherten Tätigkeit einen Unfall erleidet, ist dies ein Arbeitsunfall. Die gesetzliche Unfallversicherung definiert Unfall als zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen kann.
Arbeitsunfälle werden nach ihrer Schwere eingeteilt in:
- leicht: Erste-Hilfe ist erforderlich, jedoch keine medizinische Betreuung. Die Arbeit kann wieder aufgenommen werden; es erfolgt ein Eintrag ins Verbandbuch;
- schwer: Mit Ausfallzeiten und/oder Krankenhausaufenthalt verbunden;
- tödlich.
Die Unfallpyramide setzt Schwere und Häufigkeit von Arbeitsunfällen ins Verhältnis (Abb. 1). Nach dem Modell, das im Auftrag von ConocoPhilipps im Jahr 2003 erstellt wurde, ereignet sich auf 30.000 Fälle von unsicherem Verhalten 1 tödlicher Unfall.
Abb. 1: Unfallpyramide: Verhältnis von Schwere und Häufigkeit von Arbeitsunfällen (mit 1-29-300-Relation nach Herbert W. Heinrich)
1.3 Wegeunfall
Die Unfallgefahren auf dem Weg von und zur Arbeit sind nicht zu unterschätzen. Die Zahl tödlicher Wegeunfälle ist von 2021 bis 2022 von 227 auf 248 gestiegen. Zeit- und Kostendruck, erhöhtes Verkehrsaufkommen und Beschleunigung in der Arbeitswelt erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Unfälle.
2 Unfallanzeige, Unfallmeldung
Die Unfallanzeige ist nach § 193 SGB VII Pflicht, wenn sich Unfälle mit einer Ausfallzeit von mehr als 3 Tagen (Unfalltag zählt nicht) oder tödliche Unfälle ereignen. Die Unfallversicherungs-Anzeigeverordnung legt u. a. fest, welche Daten an den UV-Träger übermittelt werden müssen. Spätestens ab 1.1.2028 müssen Unfallanzeigen elektronisch übermittelt werden.
Die Unfallmeldung dient dagegen grundsätzlich zum internen Gebrauch. Relevante Informationen werden in der Abteilung erhoben und dokumentiert, in der der Unfall passiert ist und dann an die Personalabteilung weitergeleitet. Die Form der Unfallmeldung ist nicht vorgeschrieben. Unternehmen können eigene Vorlagen erstellen oder bestehende Formulare nutzen (nicht meldepflichtige Unfälle). Der Eintrag ins Verbandbuch reicht hier aus.
3 Vorgehen bei der Unfallanalyse
Unfall ist ein Ereignis mit Personen- und/oder Sachschaden. Häufig werden Unfälle, die nur einen Sachschaden verursachen, nicht als Unfall betrachtet. Es besteht dabei die Gefahr, dass mögliche Gefährdungen für Personen nicht erkannt werden und dann, wenn sich das Ereignis wiederholt, Beschäftigte verletzt werden.
Unfälle können nicht nur persönliches Leid bedeuten, sondern sind auch von großer wirtschaftlicher Bedeutung: Ausfallzeiten, Maßnahmen zur betrieblichen Wiedereingliederung, Ersatzpersonal, Reparaturen, Produktionsausfall oder Verlust von Aufträgen und Kunden verursachen hohe Kosten bzw. Gewinneinbußen, die nur durch gesteigerte Produktion kompensiert werden können.
Deshalb sollten Verantwortliche die Ursachen für Beinaheunfälle ebenso untersuchen wie Unfälle mit Personen- und/oder Sachschaden. Nur so können sie das gesamte Potenzial an Verbesserungsmöglichkeiten erkennen und Unfälle wirksam verhindern. Dabei geht es nicht um die Suche nach Schuldigen. Ziel ist v. a.
- Wiederholungen zu vermeiden,
- die Sicherheit zu verbessern und
- den Beschäftigten zu zeigen, dass dem Unternehmen ihre Sicherheit und Gesundheit wichtig ist.
Unfallanalyse
Die Unfallanalyse erfolgt idealerweise in 6 Sc...