Dipl.-Ing. Andreas Terboven
Selbstverständlich gibt es eine Vielzahl weiterer Unfallkriterien, die in eine Statistik aufgenommen werden können. Das muss im Einzelfall entschieden werden und sollte davon abhängig gemacht werden, ob durch ein bestimmtes Kriterium eine wichtige Aussagekraft zu erwarten ist. Es muss jedoch bedacht werden, dass eine zu umfangreiche Statistik oftmals an Aussagekraft einbüßt, da sie insgesamt unübersichtlich und zu planlos wirkt.
Mögliche weitere Kriterien für eine Unfallstatistik sind folgende (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
3.10.1 Zeit nach Arbeitsbeginn
In Industriebetrieben gibt es im Hinblick auf die Zeit nach Arbeitsbeginn eindeutig zwei Unfallhöhepunkte. Dies ist in der Zeit 2–5 Stunden und 7–9 Stunden nach Arbeitsbeginn.
Des Weiteren ist mit einem erheblichen Anstieg der Unfälle nach einer Arbeitszeit von mehr als 10 Stunden zu rechnen.
3.10.2 Wochentag/Monat/Jahr
Nach bisherigen Erhebungen ist der Montag der unfallträchtigste Tag. Das gilt für Arbeitsunfälle, ganz besonders aber für Wegeunfälle. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass vielen Menschen die Umstellung vom Wochenende (Freizeit) auf die Arbeit schwerfällt.
In den Sommermonaten ereignen sich oftmals mehr Unfälle als im Winter. Die Ursache hierfür liegt wahrscheinlich darin, dass im Winter in einigen Bereichen (z. B. Baustellen, Landwirtschaft) die Beschäftigung geringer ist. Die meisten Wegeunfälle werden hingegen im Januar und Dezember verursacht, was auf die dunkle Jahreszeit, insb. aber auf die oftmals schlechten Straßenverhältnisse zurückzuführen ist.
Für die Erstellung von Statistiken haben die oben aufgeführten Kriterien Wochentag und Monat keine Bedeutung. Letztlich ist es auch nicht möglich, unfallträchtige Wochentage oder Monate abzuschaffen.
Die statistische Aufzeichnung des Unfallgeschehens über mehrere Jahre ist hingegen durchaus sinnvoll, weil dadurch die Entwicklung über einen längeren Zeitraum betrachtet werden kann. Auf diese Weise kann auch der Erfolg des Arbeitsschutzes dokumentiert werden.
3.10.3 Alter des Verunfallten
Jüngere Arbeitnehmer verunfallen häufiger als ältere. Die Gründe hierfür sind in der fehlenden Erfahrung und Routine zu suchen. Weiterhin sind junge Menschen risikofreudiger, ihr Gefahrenbewusstsein ist wenig ausgeprägt.
Die Konsequenz dieses Ergebnisses könnte eine intensive und gesonderte Schulung jüngerer Mitarbeiter sein.
3.10.4 Betriebszugehörigkeit
Die Zeit der Betriebszugehörigkeit ist ebenfalls ein interessantes Kriterium. Mit zunehmender Betriebszugehörigkeit nimmt die relative Unfallhäufigkeit der Beschäftigten ab. Dies ist durch die Arbeitsroutine und Erfahrung bei der Arbeit, verbunden mit der Kenntnisnahme von gefährlichen Maschinen und Tätigkeiten, zu erklären. Hier lohnt es sich ebenfalls, Betriebsneulinge intensiv auf mögliche Gefahren hin zu schulen.
3.10.5 Staatsangehörigkeit
Ausländische Arbeitnehmer verunfallen häufiger als Deutsche. Dies kann dadurch erklärt werden, dass Ausländer oft körperlich härtere und somit auch unfallträchtigere Arbeiten ausführen als Deutsche. Hinzu kommt teilweise das Sprachproblem, das Erklärungen und sicherheitstechnische Hinweise oft wirkungslos verpuffen lässt. Auch hier kann der sicherheitstechnische Hebel angesetzt werden, beispielsweise durch gesonderte Unterweisungen, eventuell unter Zuhilfenahme eines Übersetzers aus den Reihen der Beschäftigten.
Bedacht werden sollte bei einer Vielzahl ausländischer Mitarbeiter, dass zwischen einzelnen Nationen und unterschiedlichen Kulturkreisen gelegentlich Zwietracht herrscht. Dies sollte nach Möglichkeit bei einem Team, dessen Mitglieder mehreren Nationen angehören, bedacht werden.
3.10.6 Geschlecht
Frauen verunfallen erheblich seltener als Männer. Es ergibt sich bei den meldepflichtigen Unfällen ein Verhältnis männlich zu weiblich von 70:30. Dies hat zum einen sicherlich mit den unterschiedlichen Tätigkeiten zu tun, denen Männer und Frauen nachgehen. Frauen haben im Durchschnitt weniger riskante Arbeiten zu verrichten. Zum anderen kommt den Frauen höchstwahrscheinlich ihre geringere Risikobereitschaft und stärker ausgeprägte Vorsicht zugute, die beide helfen, Unfälle zu verhindern.
3.10.7 Tätigkeit zum Zeitpunkt des Unfalls
Durch dieses Unfallkriterium soll versucht werden, gefährliche (in diesem Fall: besonders unfallträchtige) Tätigkeiten zu entdecken. Dazu ist eine Einteilung der Tätigkeiten zum Zeitpunkt des Unfalls notwendig. Hier ist beispielsweise folgende Einteilung möglich:
0 |
Nicht klassifizierbar |
1 |
Bedienen, Steuern, Ingangsetzen, Stillsetzen, Einrichten von Maschinen |
2 |
Handhaben von Werkzeugen und Geräten |
3 |
Handhaben von sonstigen Geräten und Hilfsmitteln |
4 |
Gehen, steigen, klettern, springen |
5 |
Heben, tragen, ablegen, stapeln, sortieren |
6 |
Schieben, bewegen, festhalten, zurückhalten |
7 |
Überwachen, beaufsichtigen, beobachten |
8 |
Auseinander nehmen, zerlegen, zusammenfügen, instand setzen |
9 |
Nebentätigkeiten (Pause, umkleiden, spielen, mitfahren etc.) |
Diese Merkmale sind im Bedarfsfall zu ändern bzw. den Gegebenheiten anzupassen.