Zusammenfassung
Verkehrssicherungspflichten beinhalten Verhaltenspflichten zur Vermeidung von Gefahren im täglichen Verkehr und dienen folglich dazu, Schäden zu verhindern. Zu diesem Zweck müssen Verkehrssicherungspflichtige erforderliche und geeignete Vorkehrungen treffen, um Schaden an fremden Rechtsgütern, z. B. körperliche Unversehrtheit oder Unversehrtheit von Sachen, abzuwenden. Wird der Pflicht nicht Genüge getan und tritt ein Schaden ein, kann dies zu Schadensersatzansprüchen führen. Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 BGB). Mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist das Maß an Umsicht und Sorgfalt gemeint, "das nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger des in Betracht kommenden Verkehrskreises zu beachten ist" (BGH-Urteil vom 15.11.1971 – VIII ZR 62/70).
Ein spezielles Gesetz zur Verkehrssicherungspflicht gibt es nicht. Vielmehr befinden sich in vielen Spezialgesetzen Anforderungen auch an die Verkehrssicherung. Neben diesen öffentlich-rechtlichen Vorschriften ist es vor allem die Rechtsprechung im Zivilrecht, die maßgeblich das Konstrukt der Verkehrssicherungspflicht über Jahrzehnte entwickelt hat. Anfangs sollte eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit öffentlich-rechtlicher Verkehrsträger für den verkehrssicheren Zustand öffentlicher Straßen, Plätze usw. begründet und Zuständigkeiten der öffentlichen Hand auch in die zivilrechtliche Delikthaftung überführt werden. Das StGB a. F. bedrohte seinerzeit in § 367 Nr. 12 "mit Geldstrafe bis zu fünfzig Thalern oder mit Haft, wer auf öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen, auf Höfen, in Häusern und überhaupt an Orten, an welchen Menschen verkehren, Brunnen, Keller, Gruben, Öffnungen oder Abhänge dergestalt unverdeckt oder unverwahrt lässt, dass daraus Gefahr für Andere entstehen kann."
1 Verkehrssicherungspflichten
Das bekannteste Schild an Baustellen ist das Betretungsverbot. Für Schäden, die Personen auf der Baustelle oder einem Grundstück entstehen, ist grundsätzlich der Eigentümer bzw. Betreiber schadensersatzpflichtig. Die Ergänzung "Eltern haften für ihre Kinder" kann die Haftung des Eigentümers nicht ausschließen.
Verkehrspflichten sind der Oberbegriff der Verkehrssicherungspflichten. Sie bezeichnen allgemein Verhaltensanforderungen im Umgang mit Schutzgütern. Verkehrspflichten kommen in vielen Bereichen zum Tragen, genau genommen dort, wo Menschen im Verkehr eine in räumlicher und zeitlicher Hinsicht erwartbare Sicherheit voraussetzen können bzw. wo eine bestimmte Verkehrserwartung vorherrscht.
Verkehrssicherungspflicht beschreibt die allgemeine Rechtspflicht im Verkehr, also im täglichen Umgang miteinander, Rücksicht auf andere zu nehmen, damit diese nicht gefährdet werden.
Beispiele sind:
- Verkehrswege für den öffentlichen Verkehr (Straßen und Gehwege): Ein Beispiel ist die Räum- und Streupflicht. Rechtliche Anforderungen finden sich in den Landesstraßengesetzen und im Bundesfernstraßengesetz. Neben § 823 BGB besteht Schadensersatzpflicht in der Amtshaftung nach § 839 BGB bei Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten.
- Gebäude, Grundstücke, Anlagen: Die infrage kommenden Objekte, wie Verkaufsstätten, Gaststätten, Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Baustellen etc., unterscheiden sich in Art und Umfang des Verkehrs. Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht ergeben sich im Einzelfall. Die Art der Nutzung und der Nutzerkreis differieren erheblich.
- Straßenverkehr: Der sichere Verkehr beruht auf der gegenseitigen Rücksichtnahme und dem Vertrauen auf das verkehrsrichtige Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer; dies gilt auch für den Personenverkehr (Bus, Bahn, Schiff, Luftverkehr).
- Veranstaltungen (Kultur, Sport, Freizeit): Die Besucher und ggf. Nachbarn sind vor Gefahren zu schützen, insbesondere bei Massenveranstaltungen. Die Anforderungen erhöhen sich, wenn mit alkoholisierten Besuchern zu rechnen ist.
1.1 Einordnung der Verkehrssicherungspflichten
Verkehrssicherungspflichten sind öffentlich-rechtlich beschrieben durch Gesetze, Verordnungen, Technische Regeln. Diese beinhalten nicht abschließend die Verhaltensanforderungen. Dennoch dürfte bei Einhalten dieser Vorschriften die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadensfalls und damit das Haftungsrisiko erheblich reduziert sein.
Insbesondere sind Verkehrssicherungspflichten zivilrechtlich durch die Rechtsprechung entwickelt worden. Weiterhin gibt es Kommentierungen und Gewohnheitsrecht.
1.2 Öffentliches Recht
Das öffentliche Recht regelt die Beziehungen des Bürgers zum Staat und den übrigen Trägern öffentlicher Gewalt. Der Einzelne ist dem Staat untergeordnet. Öffentliches Baurecht basiert vornehmlich auf dem Gedanken der Gefahrenabwehr. Es zielt auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere indem Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden (§ 3 Musterbauordnung – MBO). Das Arbeitsschutzrecht will Gefährdungen für die Beschäftigten bei der Arbeit abwenden und trifft dazu...