Weder der Gesetzgeber noch die Unfallversicherungsträger fordern explizit ein Arbeitsschutz-Managementsystem. Sie tun dies indirekt, indem sie eine geeignete Organisation für den betrieblichen Arbeitsschutz, deren Einbindung in die betrieblichen Führungsstrukturen sowie regelmäßige Wirksamkeitsüberprüfungen fordern (§ 3 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz). Mit dem "Nationalen Leitfaden für Arbeitsschutz-Managementsysteme" liegen anerkannte Kriterien für eine "geeignete" Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes vor. Das heißt, ein Unternehmen ist gut beraten, wenn es sich bei der Organisation und Umsetzung des Arbeitsschutzes an diesem Leitfaden orientiert, was der Realisierung eines AMS entspricht.
Eine Besonderheit besteht bei Unternehmen, deren Kunden oder Partner ein nachweislich angewendetes Management für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit verlangen oder honorieren. Dies trifft insbesondere bei den Kontraktoren von Unternehmen der Mineralöl- und petrochemischen Industrie zu. Sie verlangen in der Regel von allen Kontraktoren mit mehr als zehn Beschäftigten ein zertifiziertes Sicherheits-, Gesundheits- und Umwelt-Managementsystem nach dem branchenspezifischen AMS-Standard SCC (Sicherheits Certifikat Contraktoren). Durch die Veröffentlichung der DIN ISO 45.001:2018 "Managementsysteme für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit – Anforderungen mit Leitlinien zur Anwendung" steigt die Relevanz und vermutlich auch die Nachfrage von Unternehmen bei ihren Lieferanten und Partnerfirmen nach einem Zertifikat.
Ausgangspunkte für die Relevanz von Arbeitsschutz-Managementsystemen sind auch die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen in den Bereichen Unternehmensführung, Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie betriebliche Gesundheitsförderung. Zu nennen sind insbesondere (s. a. die im einleitenden Überblick genannten Punkte):
- die Notwendigkeit, die Effektivität und Effizienz des betrieblichen Arbeitsschutzes weiter zu verbessern, z. B. weil Störungen aller Art die Planbarkeit und Beherrschung optimierter Prozesse gefährden;
- die Erkenntnis, dass Störfälle, Betriebsstörungen und Unfälle auf Faktoren (bzw. deren Kombination) zurückzuführen sind, die ihre Ursache in erheblichen Lücken in der Organisation sowie im mangelhaften Management von Sicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz haben;
- immer mehr Geschäftsführer größerer Unternehmen interessieren sich für die Wirksamkeit des Arbeitsschutzes in ihrem Unternehmen und initiieren über eine Bestandsaufnahme, ein internes Audit die Einführung eines AMS;
- die praktische Bedeutung und die Erfolge der bereits vorhandenen Managementsysteme (z. B. Qualitäts-Managementsysteme);
- die Veröffentlichung der internationalen Norm ISO 45.001:2018 "Occupational health and safety management systems – Requirements with guidance for use";
- das Arbeitsschutzrecht, das einen systematischen Ansatz im Arbeitsschutz fordert;
- Bestrebungen der staatlichen Aufsicht, ihren Überwachungsauftrag im Arbeitsschutz und in der Anlagensicherheit durch Deregulierung und vermehrte Systemüberprüfung effizienter zu gestalten. Das hätte zur Folge, dass Unternehmen in Zukunft verstärkt dazu angeleitet oder sogar verpflichtet werden, die Erfüllung/Einhaltung von Vorgaben/Verordnungen etc. durch intakte Managementsysteme nachzuweisen;
- die vielfältigen Aktivitäten der Unfallversicherungsträger zum Thema Arbeitsschutzmanagement (Informationen, Handlungshilfen, Schulungsangebote, Unterstützungsangebote sowie teilweise Honorierung des Praktizierens eines AMS);
- die u. a. im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel steigende praktische Bedeutung der betrieblichen Gesundheitsförderung.