Prof. Dr.-Ing. Martin Schmauder
Zusammenfassung
- Ergonomie berücksichtigt die unterschiedlichen Leistungsvoraussetzungen der Menschen.
- Ausgangspunkt ist die Arbeitsaufgabe, die in einer für den Menschen günstigen Art und Weise bearbeitet werden soll.
- An die unterschiedlichen Menschen angepasste Arbeitsplatzmaße erleichtern die Arbeit.
- Gute Sehbedingungen ermöglichen eine natürliche Kopfhaltung.
- Greifräume und Bewegungsräume müssen berücksichtigt werden.
- Die Einhaltung von Freiräumen und Sicherheitsmaßen ist notwendig.
1 Details
1.1 Definition und Hintergrund
Ergonomie ist die Wissenschaft von der Anpassung der Technik an den Menschen zur Erleichterung der Arbeit. Das Ziel, die Belastung des arbeitenden Menschen so ausgewogen wie möglich zu halten, wird unter Einsatz technischer, medizinischer, psychologischer sowie sozialer und ökologischer Erkenntnisse angestrebt.
Eine Gestaltung der Arbeitsplätze unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Ergonomie erfüllt die Anforderungen an Wirtschaftlichkeit und Humanität. Die menschliche Arbeitskraft wird entsprechend den jeweiligen Leistungsvoraussetzungen genutzt und Erschwernisse durch ungünstige Körperhaltungen und -bewegungen werden vermieden.
1.2 Verantwortung des Arbeitgebers
Die Integration der Erkenntnisse der Ergonomie in die Arbeitsplatzgestaltung leitet sich aus § 4 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) ab. Danach sind bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen.
1.3 Kosten und Nutzen
Die Berücksichtigung der Erkenntnisse der Ergonomie ist bereits im Prozess der Planung von Arbeitsplätzen sinnvoll. Hier können die Anforderungen i. d. R. mit einem vertretbaren Aufwand umgesetzt werden. Je später Arbeitssysteme im Hinblick auf die Minimierung von Gefährdungen und die Berücksichtigung von arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen beurteilt werden, umso aufwendiger sind evtl. notwendige Änderungen.
Der Nutzen einer ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung zeigt sich in der Vermeidung von arbeitsbedingten Erkrankungen bei den Beschäftigten und in der optimalen Ausnutzung der menschlichen Arbeitskraft.
1.4 Folgen von Verstößen
Mit der Neufassung der Betriebssicherheitsverordnung muss bei der Gefährdungsbeurteilung nun auch die ergonomische Gestaltung der Arbeitsmittel (Werkzeuge, Geräte, Maschinen oder Anlagen) berücksichtigt werden (§ 3 Abs. 2 BetrSichV). Die Grundsätze der Ergonomie müssen beachtet, Belastungen und Fehlbeanspruchungen müssen vermieden bzw. verringert werden. Konkret bedeutet dies u. a., dass die Aspekte "Arbeitsumgebung, die Lage der Zugriffstellen und des Schwerpunktes des Arbeitsmittels, die erforderliche Körperhaltung, die Körperbewegung, die Entfernung zum Körper" berücksichtigt werden müssen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BetrSichV). Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig die auftretenden Gefährdungen nicht oder nicht richtig beurteilt, dies bezieht sich auch auf die Ergonomie (§ 22 BetrSichV).
2 FAQ
1) Was ist der Ausgangspunkt der ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung?
Ausgangspunkt ist die zu erfüllende Arbeitsaufgabe. Diese muss von den jeweiligen Menschen gut und ohne Beeinträchtigung erledigt werden können. Es sind deshalb die individuellen Leistungsvoraussetzungen, wie z. B. die Körpermaße und -kräfte, zu berücksichtigen. Da nicht jeder Mensch gleich ist, muss bereits bei der Planung von Arbeitsplätzen ermittelt werden, welche Nutzerpopulation zu berücksichtigen ist.
2) An welchen Körpermaßen soll man sich orientieren?
Damit möglichst viele Menschen günstige Bedingungen vorfinden, sich aber auch die erforderliche Variationsbreite in einem vertretbaren Rahmen bewegt, werden Arbeitsplätze vom 5. bis zum 95. Perzentil der jeweiligen Nutzerpopulation gestaltet. Innen- und Außenmaße müssen berücksichtigt werden.
3) Was ist besser, sitzen oder stehen?
Für grobmotorische Arbeiten mit geringen Sehanforderungen sind Steharbeitsplätze geeignet. Für feinmotorisch anspruchsvolle Arbeitsaufgaben mit hohen Sehanforderungen sind Sitzarbeitsplätze geeignet. Sitzen und Stehen hat jeweils Vor- und Nachteile.
4) Welchen Einfluss hat die Sichtgeometrie?
Das menschliche Auge kann nur in einem eng begrenzten Bereich scharf sehen. Deshalb muss das Arbeitszentrum in der Sehlinie liegen. Diese ergibt sich aus der natürlichen, leicht nach unten geneigten Kopfhaltung.
5) Wo sollen Arbeitsgegenstände angeordnet werden?
Man unterscheidet verschiedene Greifräume, die sich aus der Beweglichkeit des Hand-Arm-Systems ergeben. Das Arbeitszentrum soll so angeordnet sein, dass mit locker herabhängenden Oberarmen und möglichst waagerechten Unterarmen gearbeitet werden kann. Häufig zu greifende Gegenstände sollen in der Einhandzone im kleinen Greifraum angeordnet werden, d. h., sie sollen noch ohne Bewegung des Schultergelenks erreicht werden können.