1.1 Definition und Hintergrund
Bevor ein Gefahrstoff im Unternehmen eingesetzt wird, muss vorab geprüft werden, ob ein anderer Stoff verwendet werden kann (Ersatzstoff), der unter den jeweiligen Bedingungen für Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten nicht oder weniger gefährlich ist. Diese Prüfung ist Bestandteil der Gefährdungsbeurteilung und muss dokumentiert werden. Der Gefahrstoff kann dann ganz oder teilweise durch den Ersatzstoff ersetzt werden. Ersatzverfahren sind technische Verfahren, mit denen ein vergleichbares Ergebnis ohne Einsatz von Gefahrstoffen oder Ersatzstoffen erreicht werden kann und Gefährdungen vermieden bzw. verringert werden.
Substitution bezieht sich also auf Stoffe, Gemische, Erzeugnisse bzw. Verfahren. Substitutionsprüfung ist auch bei der Planung zum Einsatz neuer Stoffe und Verfahren Pflicht.
Ziele der Substitution
- Tätigkeiten mit Gefahrstoffen vermeiden,
- Gefahrstoffe ersetzen,
- gefährliche Verfahren durch weniger gefährliche Verfahren ersetzen.
Substitution muss insgesamt eine geringere Gefährdung gewährleisten, es muss dazu die Gesamtsituation berücksichtigt werden, d. h.: Ersatzstoff oder -verfahren darf andere Gefährdungen nicht erhöhen und Schutzgüter nicht beeinträchtigen. Es müssen die Gefährdungen bei allen Tätigkeiten mit Gefahrstoffen einschließlich Wartungsarbeiten sowie Bedien- und Überwachungstätigkeiten betrachtet werden.
Ablauf der Substitutionsprüfung
- Ermitteln von Substitutionsmöglichkeiten im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung: Informationsquellen nutzen: u. a. TRGS 600 ff., Sicherheitsdatenblatt (s. Abschn. 3 Abs. 2 und Literaturhinweise TRGS 600): Welche Ersatzstoffe bzw. -verfahren gibt es?
- Ggf. Leitkriterien für die Vorauswahl festlegen, wenn mehrere Substitutionsmöglichkeiten ermittelt wurden (s. Abschn. 4 Abs. 3–7 TRGS 600), z. B. Gefahrenklassen und -kategorien, physikalisch-chemische Eigenschaften, Freisetzungspotenzial, Hautbelastung.
- Entscheidung treffen: Welche Ersatzstoffe bzw. -verfahren sind geeignet? Werden durch eine Substitution die Gefährdungen insgesamt vermieden bzw. verringert? Soll eine Substitution durchgeführt werden? (s. Abschn. 5 und Anhang 3 TRGS 600)
Ergebnis der Prüfung und Entscheidung dokumentieren (§ 6 Abs. 8 GefStoffV): dies kann z. B. in einer zusätzlichen Spalte im Gefahrstoffverzeichnis erfolgen: "Substitutionsprüfung durchgeführt ja/nein", mit Verweis auf weitere Checklisten. Die Ergebnisse der Substitutionsprüfung können mit Standardsätzen beschrieben werden, z. B.:
- Möglichkeiten einer Substitution sind …
- Keine Möglichkeiten einer Substitution.
- Lösung ist bereits Substitutionslösung.
Ein bloßes Ankreuzen "Substitution durchgeführt" genügt nicht. Spätestens bei der Überprüfung durch die zuständige Behörde und evtl. durch einen Zertifizierer muss nachgewiesen werden,
- wie die Substitutionsprüfung durchgeführt wurde,
- ob und welche Ersatzstoffe bzw. -verfahren zur Verfügung stehen,
- was das Ergebnis der Prüfung ist.
Dokumentationspflicht
Es muss auch dokumentiert werden, wenn auf eine Substitution verzichtet wird, z. B. weil
- es (noch) keinen geeigneten Ersatzstoff gibt,
- sich beim Einsatz eines Ersatzstoffs insgesamt eine höhere Gefährdung ergeben würde,
- die Substitutionslösung technisch oder betrieblich nicht geeignet ist oder
- eine Substitution aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht durchgeführt wird (s. Abschn. 6 TRGS 600).
1.2 Verantwortung des Arbeitgebers
Zu den Grundpflichten des Arbeitgebers gehören, Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten zu gewährleisten und die Umwelt nicht zu gefährden. Dazu müssen Gefährdungen am Arbeitsplatz vermieden bzw. verringert werden (§ 4 ArbSchG).
Vor Aufnahme der Tätigkeit muss eine Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG und § 6 GefStoffV) durchgeführt werden. Wenn mit Gefahrstoffen umgegangen wird, müssen grundsätzlich auch die Möglichkeiten einer Substitution geprüft werden.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, vorrangig Substitution durchzuführen (§ 7 Abs. 3 GefStoffV).
Betriebswirtschaftliche Bewertung
"Der Arbeitgeber kann die integrierte Entscheidung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bewertungskriterien treffen" (s. Anhang 3 TRGS 600). Die Substitutionslösung muss jedoch eingesetzt werden, wenn die geprüften betriebsbezogenen Faktoren i. W. positiv beeinflusst werden. Auch höhere Kosten einer Substitutionslösung können in Kauf genommen werden (Abschn. 5 Abs. 4 TRGS 600).
Das bedeutet: Ein Verzicht auf Substitution ist nicht möglich, nur weil
- eine Umstellung auf Ersatzstoffe und -verfahren zunächst Aufwand und Kosten verursacht,
- der Arbeitgeber den Stand der Technik, bereits existierende Lösungen bzw. neue wissenschaftliche Erkenntnisse nicht kennt.
Die Forderung, Sicherheit und Gesundheitsschutz für die Beschäftigten zu verbessern sowie den Stand der Technik zu berücksichtigen (§§ 3 und 4 ArbSchG) zwingen den Arbeitgeber zur Anpassung, falls neue Stoffe oder Verfahren verfügbar sind, die geringere bzw. keine Gefährdungen darstellen.
1.3 Umsetzung
Fachkraft für Arbeitssicherheit und Betriebsarzt beraten und unterstützen bei der Subs...