Dipl.-Ing. Andreas Voigt, Dipl.-Ing. (FH) Simone Arndt
1.1 Definitionen
Die Baustelle im Sinne der Baustellenverordnung (BaustellV) ist der Ort, an dem ein Bauvorhaben ausgeführt wird. Ein Bauvorhaben ist das Vorhaben, eine oder mehrere bauliche Anlagen zu errichten, zu ändern oder abzubrechen.
Weitere Definitionen sind i. d. R. zum Arbeitsschutz auf Baustellen "RAB 10 Begriffsbestimmungen" zusammengestellt.
1.2 Hintergrund
Als die Baustellenverordnung in Kraft gesetzt wurde, trat die Frage auf, warum die Bauherren als Normadressaten für eine Rechtsvorschrift zur Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes angesprochen werden. In der Begründung der Bundesregierung zur Baustellenverordnung heißt es zu diesem Aspekt: "Als Veranlasser eines Bauvorhabens trägt der Bauherr die Verantwortung für das Bauvorhaben. Deshalb ist er zur Einleitung und Umsetzung der in der Baustellenverordnung verankerten baustellenspezifischen Arbeitsschutzmaßnahmen sowohl bei der Planung der Ausführung eines Bauvorhabens als auch bei der Koordinierung der Bauausführung verpflichtet".
Insbesondere sollte erreicht werden, dass bereits bei der Vorbereitung der Bauarbeiten die Planung und Organisation unter dem Blickwinkel der gefahrfreien Zusammenarbeit und gemeinsam zu nutzender Sicherheitseinrichtungen erfolgt. Dies ergab sich aus der Feststellung der EU-Kommission zu Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen, dass die Ursachen für tödliche Baustellenunfälle zu 28 % auf mangelhafte Organisation der Zusammenarbeit der Unternehmer und zu 35 % auf Planungsfehler zurückzuführen waren. Fast zwei Drittel der Unfallursachen hätten sich also bereits im Vorfeld der Bauausführung positiv beeinflussen lassen.
In den Jahren seit 1995 erfährt die deutsche Bauwirtschaft infolge sich verändernder Rahmenbedingungen einen tiefgreifenden Anpassungsprozess. Dieser führt zu einem bisher so noch nicht da gewesenen Strukturwandel. In einem Forschungsbericht zur Wirksamkeit der Baustellenverordnung wurde ausgesagt, dass diese Entwicklungen sich "nicht förderlich für eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten auf Baustellen" erwiesen haben.
Nach wie vor bestehen also die Ursachenkomplexe für die erheblichen Unfall- und Gesundheitsrisiken der auf Baustellen Beschäftigten in Form von:
- sich ständig ändernden Arbeitsbedingungen;
- Witterungseinflüssen;
- Kosten- und Termindruck;
- Nebeneinander- oder Nacheinanderarbeiten von Beschäftigten verschiedener Arbeitgeber.
1.3 Unfall- und Berufskrankheitsgeschehen
Die meldepflichtigen Arbeitsunfälle auf Baustellen liegen mit 59 Unfällen je 1.000 Vollarbeiter im Jahre 2021 an der Spitze aller Wirtschaftszweige.
1.4 Verantwortung von Bauherren, Arbeitgebern und Führungskräften
Aus der Baustellenverordnung ergeben sich für Bauherren besondere Rechtspflichten: sie sind mitverantwortlich für die gefahrfreie Vorbereitung und Durchführung von Bauarbeiten.
Die Baustellenverordnung formuliert folgende Pflichten für den Bauherren bzw. den von ihm beauftragten Dritten:
- Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze nach § 4 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) bei der Planung der Ausführung des Bauvorhabens;
- Ankündigung des Vorhabens bei der Arbeitsschutzbehörde für solche Bauvorhaben, bei denen die Dauer der voraussichtlichen Arbeiten mehr als 30 Tage beträgt und dabei mehr als 20 Beschäftigte gleichzeitig tätig sind bzw. für die Bauvorhaben, deren Umfang der Arbeiten mehr als 500 Personentage beträgt;
- Bestellung eines Koordinators, wenn mehrere Arbeitgeber auf der Baustelle tätig werden;
- Erarbeitung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes bei Tätigkeiten mehrerer Arbeitgeber oder Unternehmer auf Baustellen, für die eine Vorankündigung erforderlich ist oder wenn besonders gefährlichen Arbeiten durchgeführt werden;
- Unterrichtung des Arbeitgebers, der mit seinen Beschäftigten die Baumaßnahme allein durchführt, über die Umstände auf dem Gelände, die für einen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan relevant sind, sofern für die Baustelle eine Vorankündigung zu übermitteln ist oder besonders gefährliche Arbeiten nach Anhang II der BaustellV durchgeführt werden;
- Zusammenstellung einer Unterlage für spätere Arbeiten an der baulichen Anlage.
Anerkanntermaßen stellen die Bedingungen, unter denen bauliche Anlagen errichtet werden, hohe Anforderungen an die Fachkenntnis der am Bau Beteiligten. Ebenso ist es eine Tatsache, dass die komplexen Abläufe von Bauarbeiten und die Vielfältigkeit der angewendeten Technologien unter Beachtung der kurzen zur Verfügung stehenden Bauzeiten eine enorme Verdichtung gleichzeitig tätiger verschiedener Unternehmer bedeuten. Bestimmend ist dabei, dass die auf der Baustelle tätigen Unternehmer sich in einem direkten Vertragsverhältnis zum Bauherrn befinden. Um einer durch diese objektiven Gegebenheiten möglicherweise entstehenden Überforderung von Bauherren entgegenwirken zu können, sieht die Baustellenverordnung di...