1.1 Definition
Mutterschutz sind die von der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) festgelegten Normen zum Schutz von Wöchnerinnen vor und nach der Geburt eines Kindes. Im Zusammenhang mit dem betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz ist eine Vielzahl rechtlicher Besonderheiten zu beachten.
Zentrale Norm ist das zum 1.1.2018 vollständig novellierte Mutterschutzgesetz (MuSchG), das sowohl die Gestaltung von Arbeitsplätzen reguliert (§§ 9 ff. MuSchG), als auch Beschäftigungsverbote normiert (§§ 3 bis 8 MuSchG). Zudem sieht es ein Kündigungsverbot vor (§ 17 MuSchG) und gewährt besondere Leistungen (§§ 18 ff. MuSchG). Daneben gelten selbstverständlich alle anderen arbeitschutzrechtlichen Vorschriften, wie z. B.
Die in diesen Normen grundsätzlich genannten Verpflichtungen zum Schutze der Arbeitnehmer gelten natürlich auch und insbesondere für die schwangere bzw. stillende Frau.
Sowohl die schwangere Frau als auch der Arbeitgeber haben eine Vielzahl genau einzuhaltender Verpflichtungen.
1.2 Pflichten der schwangeren Frau
Die schwangere Frau soll im Interesse ihrer eigenen Gesundheit und der ihres Kindes sofort nach Bekanntwerden ihrer Schwangerschaft den zuständigen Vorgesetzten unterrichten (Mitteilungspflicht, § 15 Abs. 1 MuSchG). Die Gesetzesüberschrift "Mitteilungspflicht" ist jedoch etwas missverständlich, weil sich aus dieser Norm keine Verpflichtung i. e. S. ergibt ("soll"). Es ist jedoch unbestritten, dass die schwangere Frau eine Schadensersatzverpflichtung aus § 280 BGB treffen kann, wenn sie eine Schlüsselposition im Betrieb innehat, die den Arbeitgeber zu umfangreichen Umdispositionen zwingen würde.
Problemschwangerschaft
In einem technischen Betrieb sind 5 Ingenieure tätig, von denen 2 weiblich sind. Eine der Ingenieurinnen erfährt von Ihrer Schwangerschaft, teilt diese dem Arbeitgeber jedoch nicht mit. Nach wenigen Wochen entwickelt sich die Schwangerschaft zu einer Problemschwangerschaft, die eine sofortige Beendigung der Tätigkeit mit sich bringt. Der Arbeitgeber, der nicht kurzfristig umdisponieren kann, muss mit Leiharbeitskräften den Betrieb des Büros mehrere Wochen aufrechterhalten, um alle Aufträge termingerecht erfüllen zu können. Ihm entstehen daraus deutlich höhere Entlohnungskosten. Diese Differenz zum Gehalt der Ingenieurin kann er – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen (insbesondere Verschulden) – ggf. als Schadensersatz geltend machen.
Ausreichend ist eine mündliche Mitteilung, die die Arbeitnehmerin auch nicht zwingend persönlich vornehmen muss. Der Vorgesetzte kann die Vorlage einer kostenpflichtigen ärztlichen Bescheinigung verlangen (§ 15 Abs. 2 MuSchG). In diesem Fall hat der Arbeitgeber diese Kosten zu erstatten. Veranlasst die schwangere Frau das Attest ohne Aufforderung durch den Arbeitgeber, trägt sie bzw. ihre Krankenkasse die Kosten.
1.3 Pflichten des Arbeitgebers
1.3.1 Information der Aufsichtsbehörden
Sofort nach Kenntnisnahme muss der Arbeitgeber – möglichst unter Verwendung eines amtlichen Vordrucks – die zuständige Aufsichtsbehörde (staatliche Ämter für Arbeitsschutz, Gewerbeaufsichtsämter) informieren (§ 27 Abs. 1 Satz 3 MuSchG). Unterlässt er dieses, handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit (§ 32 Abs. 1 Nr. 11 MuSchG). Ansonsten hat der Arbeitgeber den Umstand der Schwangerschaft vertraulich zu behandeln.
1.3.2 Gefährdungsbeurteilung
Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass Leben und Gesundheit von Mutter und Kind durch die Tätigkeit der Arbeitnehmerin nicht gefährdet werden. Sofort nach Kenntnisnahme von der Schwangerschaft muss er deswegen die Arbeitsbedingungen der schwangeren Frau nach Art, Ausmaß und Dauer von möglichen Gefährdungen beurteilen und dabei die speziellen Beschäftigungsbeschränkungen und -verbote für schwangere Frauen beachten.
Nach § 10 Abs. 1 MuSchG muss der Arbeitgeber bei jeder Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG bzw. § 3 ArbStättV die ausgeübte Tätigkeit auch daraufhin überprüfen,
- ob und ggf. in welchem Ausmaß sich Risiken für schwangere oder stillende Frauen ergeben können,
- ob deswegen spezielle Schutzmaßnahmen erforderlich sind,
- ob gar eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes erforderlich wird oder
- ob – sozusagen "als letztes Mittel" – ein Beschäftigungsverbot erforderlich wird.
Gefährdungsbeurteilung
Während bis Ende des Jahres 2017 eine Gefährdungsbeurteilung mutterschutzrechtlicher Art nur erforderlich wurde, wenn an einem konkreten Arbeitsplatz eine Mutterschaft aufgetreten ist, müssen nun die Gefährdungsbeurteilungen aller Arbeitsplätze im Unternehmen vorsorglich unter mutterschutzrechtlichen Aspekten ergänzt werden. Erfolgt das nicht, ist ein Bußgeld nach § 32 Abs. 1 Nr. 6 MuSchG in Höhe von 5.000 EUR fällig.
Der Ausschuss für Mutterschutz (AfMu) hat hierzu seine erste Regel im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBl.) veröffentlicht (AfMu-Regel (MuSchR) 10.1.23: Gefährdungsbeurteilung). Sie unterstützt Arbeitgebende bei der Durchführung der mutterschutzrechtlichen Gefährdungsbeurteilung. Diese Regeln haben den Status der Vermutungswirkung, d. h., Arbeitgebende können davon au...